Zahl der Corona-Intensivpatienten steigt deutlich – Grundsätzliche Umstrukturierung des Krankenhauswesens in Zukunft alternativlos
„Die Überlastung der beruflich Pflegenden hat schon vor Ausbruch der Pandemie ein enormes Risiko für das deutsche Gesundheitssystem dargestellt. Durch den Anstieg der Infektionszahlen spitzt sich die Situation nun immer weiter zu. Gerade in der Intensivpflege bedarf es daher weiterer Maßnahmen, um die pflegerische Versorgung aufrechterhalten zu können. In Ländern wie Belgien ist bereits rund ein Drittel des Personals ausgefallen. Einen solchen Notstand können wir in Deutschland nicht grundsätzlich ausschließen, ihn aber jetzt schon vorbeugen, indem unter anderem weitere pauschale Vergütungen von freigehaltenen Bettplätzen wiedereingeführt werden, damit sich die Einrichtungen bei zunehmender Belastung auf das Wesentliche konzentrieren können. Das Dekret der Wirtschaftlichkeit darf nicht dazu führen, dass unnötig Menschen sterben, weil die Versorgung durch überlastete Pflegefachpersonen und weiteres Personal in Krankenhäusern im Extremfall zusammenbricht. Wenn es zu wenig Pflegepersonal gibt, müssen alle planbaren Behandlungen, bei denen ohne großen Schaden abgewartet werden kann, auch verschoben werden können, ohne dass dabei Einrichtungen aufgrund des bestehenden Finanzierungssystems nachhaltig in die Insolvenz getrieben werden. Hier muss die Politik geschlossen Verantwortung übernehmen. Es geht schließlich um Institutionen, die bei der Sicherstellung der Gesundheitsversorgung eine elementare Rolle spielen“, so Dr. Markus Mai, Präsident der Landespflegekammer Rheinland-Pfalz.
In den vergangenen Wochen sind die Infektionszahlen, wie seitens der Landespflegekammer schon häufiger prognostiziert, dramatisch gestiegen. Für Pflegefachpersonen bedeutet dies eine immer größer werdende Arbeitsbelastung und ein erhöhtes eigenes Infektionsrisiko, die sich auch in der Intensivpflege bemerkbar macht. Binnen zehn Tagen hat sich die Zahl der Corona-Patienten, die intensivmedizinisch behandelt werden, auf rund 1.200 verdoppelt.
„Es mag richtig sein, dass wir momentan noch keine großen Engpässe in Einrichtungen und Kliniken haben. Das darf aber nicht dazu führen, dass wir die steigenden Infektionszahlen auf die leichte Schulter nehmen. Die nächsten Monate werden entscheidend sein im Kampf gegen diese Pandemie. Neben gut gemeinten aber zu niedrig beschlossenen Corona-Prämien und Tarifabschlüssen sowie abstruse und derzeit nicht umsetzbare Personalforderungen von Stellen, die das jahrzehntelang hätten umsetzen können, brauchen wir dringend eine solide Finanzierung des Krankenhauswesens und vor allem in der Zukunft eine bessere Personalausstattung in der beruflichen Pflege. Deshalb ist es dringend geboten, unabhängig von der Corona-Pandemie die Finanzierung des Krankenhauswesens in Deutschland auf andere Beine zu stellen“, fordert Mai.
„Einerseits benötigen wir eine Abkehr von mengenorientierten Vergütungen hin zur mehr qualitätsorientierten Vergütungsformen, an denen sich auch die Krankenhausplanung zu orientieren hat. Andererseits müssen wir uns mit der Frage befassen, ob und wieviel Gewinn mit Krankenhäusern überhaupt erwirtschaftet und an Aktionäre oder Inhaber ausgeschüttet werden darf. Daneben müssen auch die Bundesländer endlich ihre Verpflichtung zur umfassenden Investitionsfinanzierung umsetzen. Die Lage ist komplex, deshalb tragen auch viele unterschiedliche Akteure die Schuld am Dilemma der kritischen Situation in der Pflege. Wesentlich mehr Pflegefachpersonen wird es nur geben, wenn neben der professionellen Weiterentwicklung des Berufsstandes und der Verbesserung der Arbeitsbedingungen die Vergütung wesentlich attraktiver wird. Die jüngste Tarifrunde kann hierbei leider nicht als Fortschritt gesehen werden“, sagt Mai.
Hintergrund: Mittlerweile wurden in allen Bundesländern umfangreiche Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung und der Verlangsamung der Ausbreitung des neuartigen Corona-Virus getroffen. Die Zahl der in Rheinland-Pfalz bestätigten Fälle ist mittlerweile auf 17.090 (Stand: 28.10.) gestiegen.
Die Landespflegekammer steht in engem und ständigen Austausch mit sämtlichen relevanten Stellen und Behörden zur aktuellen Lage. Das gemeinsame Ziel aller Anstrengungen ist es, die aktuelle Lage laufend zu bewerten und Maßnahmen zu treffen, die die adäquate Versorgung im Gesundheitswesen kurz-, mittel- und langfristig sicherstellen.
Als Pflegekammer Rheinland-Pfalz haben wir eine Task-Force einberufen, die insbesondere die Situation in den Pflegesettings laufend analysiert und Maßnahmen mit den Partnern in Rheinland-Pfalz und auf der Bundesebene abstimmt. Schwerpunkte sind derzeit die Versorgungslage innerhalb des Gesundheitswesens, Sonder-Qualifizierungsmaßnahmen für Pflegefachpersonen und die Sicherstellung der personellen Ressourcen in der pflegerischen Versorgung.