Verbrühungen und Verbrennungen zählen zu den häufigsten Unfallursachen bei Kindern. Vor Weihnachten steigt die Zahl der Unfälle. Besonders heiße Flüssigkeiten werden leicht unterschätzt. Schon die Menge einer Tasse kann ein Kleinkind schwer verletzen. – Um Prävention aber auch um die komplexe Behandlung thermischer Verletzungen im Kindesalter geht es am 7. Dezember, dem bundesweiten „Tag des brandverletzten Kindes“, beim Nürnberger Wundkongress.
Nürnberg. Die Küche ist lebensgefährlich, übers ganze Jahr. Zumindest für kleine Kinder. Pfannen, Töpfe, Wasserkocher oder Backofentüren, die bei älteren Modellen glühend heiß werden, können furchtbare Verbrühungen und Verbrennungen verursachen. Geht es auf Weihnachten und Silvester zu, kommen Kerzenlicht und Feuerwerkskörper als Gefahrenquellen hinzu. Mehr noch – und dafür oft unterschätz – tragen heiße Getränke sowie Inhalationsflüssigkeiten in der Erkältungssaison zum Unfallaufkommen bei.
Weit vor Feuer & Flamme, die für 12 Prozent der thermischen Hautschäden bei Kindern verantwortlich sind, stellen heiße Flüssigkeiten (68 Prozent) die häufigste Ursache dar. Die Menge einer Tasse kann ein Drittel der Körperoberfläche eines Kleinkinds verbrühen. Weil die kindliche Haut viel empfindlicher ist als die eines Erwachsenen, reichen dabei schon 52 Grad Celsius aus. Das Besondere an Verletzungen durch heiße Flüssigkeiten: „Die Tiefe des Schadens lässt sich meist erst nach einigen Tagen beurteilen“, sagt Dr. Karl Bodenschatz, Ärztlicher Leiter der Klinik für Kinderchirurgie und Kinderurologie am Klinikum Nürnberg. Meist werde auf den ersten Blick die Fläche überschätzt, die Tiefe aber unterschätzt.
Der bundesweite „Tag des brandverletzten Kindes“ am 7. Dezember, einst initiiert von der Elterninitiative Paulinchen e.V., dient der Aufklärung über Unfallgefahren und dem Schutz von Kindern vor Verbrennung und Verbrühung. Über Präventionsmöglichkeiten, aber auch von der komplexen Herausforderung der Behandlung thermischer Verletzungen bei Kindern berichtet der Kinderchirurg Karl Bodenschatz beim 02. Nürnberger Wundkongress.
Jährlich betreuen Bodenschatz und sein Team am Klinikum Nürnberg rund 200 Kinder nach Verbrennungen und Verbrühungen. Hier verfolgt man einen weitgreifenden Ansatz: Neben der altersgerechten Versorgung der Wunden an sich gebührt den seelischen Nöten der kleinen Patienten größte Sorgfaltspflicht, darum gehört neben dem Arzt immer auch der Psychologe sowie der Sozialarbeiter ins Team. Mehr noch: Die Behandlung von brandverletzten Kindern ist oft langwierig und sehr belastend für alle Beteiligten. „Bei schwereren Verbrennungen brauchen wir die gesamte Familie. Darum werden auch die Eltern psychologisch und psychosozial mitbetreut“, sagt Bodenschatz. Schuldzuweisungen innerhalb der Familie nach kindlichen Unfällen gebe es immer, nie sind sie hilfreich.
Therapieabbruch aus Frust? „Wir müssen die Eltern mitnehmen!“
Traumatische Schäden zu vermeiden ist das wichtigste sekundäres Ziel der Therapie: So müssten kleine Kinder etwa auch bei kleinen Verbandswechseln stets analgetisch begleitet werden. „Gespräche und eine adäquate Aufklärung der Eltern sind nach unserer Erfahrung ebenfalls entscheidend für einen besseren Verlauf“, sagt Bodenschatz. Ein Therapieabbruch aus Frustration – prinzipiell nicht ausgeschlossen bei nicht akut lebensbedrohlichen Verletzungen – brächte auf lange Sicht vermeidbare Komplikationen. Denn Narben, die sich bei adäquater Behandlung verhindern oder auf ein Minimum reduzieren ließen, sind nicht allein ein kosmetisches Problem. Weil sie nicht so schnell wachsen können, wie das Kind, führen sie zu Hautkontraktionen und eingeschränkter Gelenksbeweglichkeit, gerade in „typischen Zonen“ wie an Fingern und Zehen oder um Hals und Schulter. „Hier ist es notwendig, dass die Kinder langfristig in Betreuung bleiben, idealerweise bis zum Abschluss des Wachstums“, sagt Karl Bodenschatz.
Umso wichtiger, dass die kleinen Patienten immer wieder freiwillig zurück ins Klinikum kehren, nicht schon beim Anblick eines Krankenhauses am liebsten weglaufen wollen. „Man weiß, dass Kinder, die durch ärztliche Behandlung posttraumatisch belastet sind, später als Erwachsene auch Vorsorgeuntersuchungen meiden und früher sterben“, sagt Karl Bodenschatz. Freilich ohne, dass eine heiße Ofentür oder eine mit der Tischdecke von der festlich gedeckten Kaffeetafel gezerrte Tasse – damals, in der elterlichen Küche – dann noch gedanklich präsent wären.
Gut zu wissen:
Unfallprävention mit Paulinchen und dem Klabautermann!
Jedes Jahr erleiden mehr als 30.000 Kinder und Jugendliche in Deutschland Verbrennungen und Verbrühungen, die ärztlich behandelt werden müssen, knapp 6.000 stationär, so schwer sind ihre Verletzungen. Die bundesweit agierende Elterninitiative Paulinchen e.V. berät und begleitet Familien mit brandverletzten Kindern in jeder Phase nach dem Unfall und hat sich überdies zur Aufgabe gemacht, präventiv auf Unfallursachen hinzuweisen.
Für Gefahrenquellen typisch kindlicher Unfälle sensibilisieren will auch der Nürnberger Verein Klabautermann e.V., der über thermische Verletzungen hinaus aktiv Aufklärung zu Ertrinken, Ersticken oder Stürzen betreibt. Rund 180 Kinder sterben im Jahr durch einen Unfall. Fast 200.000 Kinder müssen im Krankenhaus, 1,7 Millionen Kinder ambulant ärztlich behandelt werden. „Diese Zahlen sind alarmierend und zeigen, wie wichtig Unfallprävention ist. Ein großer Teil dieser Unfälle ist vermeidbar“, sagt Dr. Karl Bodenschatz.