Das demenzsensible Krankenhaus

2. November 2019 | Demenz, Rezensionen | 0 Kommentare

Es ist gut, dass sich viele Gedanken um die Betroffenen gemacht werden. Diesen Gedanken hat man im Kopf, während man das Buch „Das demenzsensible Krankenhaus“ durcharbeitet. Für Menschen, deren kognitive Fähigkeiten mehr oder weniger kontinuierlich abnehmen, ist ein Aufenthalt in einer Klinik nicht nur ein einschneidendes Ereignis, sondern geradezu eine Herausforderung. Denn die fremde Umgebung sorgt für Verunsicherung. Das lebhafte Geschehen um die Betroffenen herum können sie kaum in ihre Wahrnehmung integrieren.

Für Erleichterung würde vieles sorgen, mit dem sich die Autorinnen und Autoren des Buchs beschäftigen. Besonders beeindruckend kommen die Impulse des Architekten Eckhard Feddersen daher. Feddersen stellt klar, dass sich nicht der Mensch mit Demenz, sondern das Krankenhaus ändern müsse, um dem Versorgungsbedarf dementer Menschen im Krankenhaus gerecht zu werden. Feddersen wünscht sich validierende Orte, die vom Prinzip der menschlichen Anerkennung getragen seien. Während in stationären Pflegeeinrichtungen die Persönlichkeit der Menschen im Vordergrund stehe, „dominiert im Krankenhaus der Fall – eben die Fraktur oder der Infarkt“ (S. 43). Ein Architekt müsse sich von der Auffassung eines funktionalen Raums verabschieden und müsse für mehr Wohnlichkeit sorgen (S. 44).

So engagiert die Autorinnen und Autoren des Buchs in den Beiträgen wirken, so wird die Schere zwischen dem Anspruch und der Wirklichkeit in der pflegerischen Versorgung der dementiell veränderten Menschen offensichtlich. Dies gilt nicht bloß für die architektonischen Anpassungen, die den Betroffenen entgegenkämen. Dies gilt auch für viele andere angesprochenen Themen. Aufhorchen lässt, wenn Feddersen in Aufnahmesituationen die Idee ins Gespräch bringt, für dementiell veränderte Menschen separate Warteräume zu schaffen oder die Reize in den jeweiligen Umgebungen zu kanalisieren. Feddersen fordert einen Ort, „der den Stress durch Geräusche mindert, die vielen Wechsel von Personen weniger spürbar macht und ganz allgemein die Spannung herabsetzt oder gar ausschließt“ S. 47).

Eine ansprechende Idee des Buchs ist es, die Wege der Betroffenen durch ein Krankenhaus auch bei der Strukturierung des Buchs zu nutzen. So begleiten die Leserin und der Leser die betroffenen Menschen durch die unterschiedlichen Orte einer Klinik. Der Gang beginnt in der Notaufnahme, erlebt seine Etappen bei Begegnungen auf der Station und bei diagnostischen Maßnahmen und endet bei einer gelungenen Entlassungsvorbereitung.

Markus Horneber / Rupert Püllen / Janine Hübner (Hrsg.): Das demenzsensible Krankenhaus – Grundlagen und Praxis einer patientenorientierten Betreuung und Versorgung, Kohlhammer-Verlag, Stuttgart 2019, ISBN 978-3-17-033435-9, 402 Seiten, 59 Euro.

Autor:in

  • Christoph Mueller

    Christoph Müller, psychiatrisch Pflegender, Fachautor, Mitglied Team "Pflege Professionell", Redakteur "Psychiatrische Pflege" (Hogrefe-Verlag) cmueller@pflege-professionell.at