Hartmut hat Besuch von seinem Sohn Benedikt und seiner Schwiegertochter Martina. Eigentlich lebt Hartmut in einem Pflegeheim. Die Familie kommt häufig zu Besuch. Für ihn ist es ein Höhepunkt, wenn die Angehörigen mit ihm in einem Restaurant oder in einer Frittenbude essen gehen, die er schon in der Zeit seiner eigenen Häuslichkeit gemocht hat.
Als sich Martina und Benedikt wieder mit ihm auf den Weg zur Currywurst machen, muss Martina an einem Geldautomaten das Portemonnaie auffüllen. Bei dem heißen Wetter hat sie eine kurze Short angezogen. Diese knappe Hose reißt sie sich auf, als sie die Bankfiliale verlassen will, weil sie sich an der Tür verhakt. Folge: eigentlich steht sie nur noch mit einem Slip mitten auf einer Einkaufsmeile.
Hartmut kann sich das Lachen nicht verkneifen, als Martina ins Auto zurückkehrt, in dem Benedikt und Hartmut auf sie gewartet haben. Er sagt weiter nichts. Martina schaltet auf Plan B, geht bei einem nahegelegenen Textil-Markt eine Ersatz-Short kaufen, zieht sich diese unter unglaublichen Verrenkungen im Auto an. Hartmut grinst und schweigt weiterhin.
Martina, Hartmut und Benedikt gehen gemeinsam essen. Der Nachmittag geht voran, Hartmut wird wieder in sein Pflegeheim zurückgebracht. Zufrieden mit sich und der Familie verabschiedet er sich. Als Martina ihm den nächsten Besuch ankündigt, antwortet er: „Wenn Du in so netten kurzen Hosen kommst, dann kannst Du jederzeit vorbeischauen.“
Auf den ersten Blick erscheint die erzählte Geschichte banal. Sie zeigt jedoch, wie lebhaft auch der pflegebedürftige Mensch in der Banalität des Alltags sein kann. Hartmut musste seinen Lebensmittelpunkt in ein Pflegeheim verlegen, da er körperlich allein in eigener Häuslichkeit nicht mehr zurechtkam und gleichzeitig die Unterstützung durch ambulante Pflegende oder Alltagsbetreuer(innen) nicht tolerierte. Eine sehr langsam progrediente dementielle Entwicklung zeigte sich parallel, schränkte ihn jedoch nicht ein. Den Charme und die Herzlichkeit früherer Jahre büßte er nicht ein.
Das Erlebnis von Hartmut zeigt, dass auch der alte und pflegebedürftige Mensch Lust auf Lebendigkeit und Natürlichkeit hat. Hartmut hat die Gelegenheit beim Schopfe gepackt und die Schwiegertochter in den Fokus genommen. Nachvollziehbar, schließlich wurde ihm das Ganze quasi auf dem Silbertablett serviert.
Heiße Sommertage sind für Pflegende in sämtlichen Versorgungssettings eine Herausforderung. Es stellen sich Fragen bezüglich der Dienstkleidung. In der psychiatrischen sowie in der Langzeitpflege tragen Pflegende inzwischen häufig Privatkleidung als Arbeitskleidung. Wenn die Frauen und Männer morgens vor dem eigenen Kleiderschrank stehen, müssen sie sich die Frage stellen, was sie anziehen.
Geht es in Ordnung, wenn sie als Frauen ein knappes Top bei Außentemperaturen um die 35 oder 40 Grad Celsius anziehen? Ist es für untergebrachte Menschen und deren Angehörige zumutbar, wenn ein Muskelshirt die Tätowierungen bei einem jungen Mann sichtbar werden lässt? Dass Kleider Leute machen, dies hat schon Gottfried Keller in den 1870er-Jahren deutlich gemacht. Bis in die Gegenwart hat sich daran nichts geändert. Pflegende tragen Dienstkleidung natürlich als Schutzkleidung. Damit machen sie deutlich, dass sie sich auf die Pflege als Dienstkleidung konzentrieren. Tragen sie Alltagskleidung im Pflegeheim oder im Krankenhaus, so drücken sie sicherlich aus, dass sie vor allem Beziehungsarbeit leisten wollen. Individuell auftreten zu wollen, dies bedeutet vor allem sein eigenes Profil zeigen zu wollen. Die Hitze dieser Sommertage zeigt es.
Und die Alltagskleidung im pflegerischen Versorgungskontext zeigt auch, dass sie sich auf die Interaktionen mit den zu pflegenden Menschen freuen. Denken Sie dabei ruhig an Hartmut. Sein verschmitztes Lächeln kann auch Lohn an einem mühevollen Arbeitstag sein.