Befragt man 100 Pflegefachpersonen, welchen Aufgaben der „Chief Nursing Officer“ in Österreich täglich nachgeht, erntet man nur ratlose Blicke. „Was ist den das für eine Funktion?“, „Wie wird man das?“ oder „Gibt es das in Österreich wirklich?“ sind typischen Antworten, die man auf diese Frage erhält. Ein Grund für Pflege Professionell Herrn Mag. Paul Resetarics, MSc zu einem Interview einzuladen…
Pflege Professionell: Seit wann gibt es die Funktion des Chief Nursing Officers in Österreich?
Paul Resetarics: 1997 empfahl die Weltgesundheitsorganisation (WHO) erstmals Nurses (in Österreich würden wir wohl von Angehörigen des gehobenen Dienstes für Gesundheits- und Krankenpflege sprechen) und Midwifes (Hebammen) in den für diese Berufsgruppen zuständigen Organisationen, (in Österreich das Bundesministerien für Gesundheit und Frauen) zu installieren. Diese Goverment Chief Nursing and Midwifery Officer (GCNMO) sollten den zuständigen Organisationen insbesondere mit der berufsspezifischen Expertise bei fachlichen Angelegenheiten (z.B. Novellierungen des Berufsgesetzes, Ausbildungsverordnungen, Anerkennung von ausländischen Ausbildungen, externe fachliche Anfragen an das Ressort) beratend zur Seite und in engem Kontakt mit der betreffenden Berufsgruppe stehen. Während die Agenden der Midwifery Officer erforderlichenfalls von Vertreterinnen des Österreichischen Hebammengremiums wahrgenommen werden, wurde 2002 im damaligen Bundesministerium für Gesundheit und Frauen, an der im selben Jahr eingerichteten Fachabteilung für nicht-ärztliche Gesundheitsberufe, eine Kollegin der Kinder- und Jugendlichenpflege in der Funktion des Chief Nursing Officers (CNO) eingestellt.
Pflege Professionell: Seit wann sind Sie in der Funktion des CNOs?
Paul Resetarics: Als meine Vorgängerin 2007 in Pension ging, wurde die Stelle bzw. Funktion öffentlich ausgeschrieben. Ich habe mich auf diese Ausschreibung hin beworben und konnte mich in einem mehrstufigen Auswahlverfahren gegenüber meiner Mitbewerber/innen durchsetzen. Meinen Dienst als CNO trat ich am 2.1.2008 in der Fachabteilung für nicht-ärztliche Gesundheitsberufe unter der Leitung von Frau Johanna Ehmsen-Höhnl, DGKS, DSA an. 2010 wurde die Fachabteilung unter dem damaligen Bundesminister für Gesundheit, Alois Stöger, aufgelöst bzw. die Agenden in die Abteilung für allgemeine Gesundheitsrechtsangelgenheiten und Gesundheitsberufe, unter der Leitung von Frau Dr. iur. Meinhild Hausreither, verschoben. Nunmehr waren erstmals die rechtliche und fachliche Expertise die Berufsgruppe betreffend in einer Organisationseinheit konzentriert.
Pflege Professionell: Welche Anforderungen gab es damals bei Ihrem Stellenantritt?
Paul Resetarics: Als Voraussetzung für die Bewerbung galten insbesondere die erfolgreiche Ablegung der Reifeprüfung, eine abgeschlossene Ausbildung im gehobenen Dienst für Gesundheits- und Krankenpflege und mehrjährige Berufserfahrung, berufliche Erfahrung in den verschiedenen Einsatzgebieten der Gesundheits- und Krankenpflege, Erfahrung in der Aus- und Weiterbildung der Gesundheits- und Krankenpflege, sehr gute Kenntnisse der im Aufgabenbereich relevanten einschlägigen Rechtsmaterien sowie umfangreiche Kenntnisse des Gesundheits- und Bildungswesens einschließlich der Berufsbilder der Gesundheitsberufe.
Pflege Professionell: Können Sie bitte kurz Ihren fachlichen Background beschreiben?
Paul Resetarics: Ich begann als Stationsgehilfe/Krankenträger, gefolgt von mehrjähriger Tätigkeit in Unfall-OP, Unfall-Ambulanz und Gipszimmer, Ausbildung zum gehobenen Dienst für Gesundheits- und Krankenpflege (allgemeines Diplom), mehrjährige Tätigkeit auf Unfallabteilung, Interne Abteilung, Herzüberwachung, Sonderausbildung für Lehraufgaben, mehrjährige Tätigkeit als Lehrer an einer Schule für Gesundheits- und Krankenpflege, Studium der Pflegewissenschaft an der Universität Wien, nebenberufliche Tätigkeit am Institut für Pflegewissenschaft der Uni Wien, Masterprogramm Pflegepädagogik Uni Graz, Fachbuchautor (Grundlagen pflegerischen Handelns, Abschlussarbeiten mit LaTeX, Berufsethik und Berufskunde), Lehrtätigkeit an Fachhochschulen. Mittlerweile blicke ich auf über 25 Jahre Berufserfahrung in unterschiedlichen Bereichen des Gesundheitswesens zurück.
Pflege Professionell: Was sind Ihre Tätigkeitsbereiche als CNO?
Paul Resetarics: Mein Tätigkeitsbereich umfasst insbesondere die Erarbeitung von fachlichen Grundlagen für das Berufs- und Ausbildungsrecht der in die Zuständigkeit der Abteilung fallenden Gesundheitsberufe einschließlich Erteilung entsprechender Auskünfte, die fachliche Expertise im Rahmen der Berufsanerkennungen und Qualitätssicherung gesundheitsberuflicher FH-Ausbildungen sowie die Vertretung des Ressorts und Sicherstellung eines fachspezifischen Beitrags zur Gesundheitspolitik in facheinschlägigen nationalen und internationalen Gremien, Beiräten und Arbeitsgruppen.
Pflege Professionell: Wie erleben Sie die Berufsgruppe in Ihrer Arbeit als CNO?
Paul Resetarics: Ich verfüge über gute fachliche Kontakte zu den Berufsverbänden, wie beispielsweise dem Österreichischen Gesundheits- und Krankenpflegeverband (ÖGKV), dem Berufsverband Kinderkrankenpflege (BKKÖ) und dem Österreichischen Berufsverband für Anästhesie- und Intensivpflege (ÖBAI) und erlebe die Kolleginnen und Kollegen als sehr engagiert. Bei Gesprächen mit Kolleginnen und Kollegen aus der Praxis, z.B. während Kongressen oder sonstigen Veranstaltungen, wird eine hohe fachliche Expertise sichtbar. Manchmal erlebe ich die Berufsgruppe jedoch auch als sehr zurückhaltend, wenn es z.B. um das Ausschöpfen der Möglichkeiten geht, die das Gesundheits- und Krankenpflegegesetz eröffnet, oder wenn das eigene Tun fachlich argumentiert werden soll. Wenn ich diverse Einträge in digitalen Medien lese, habe ich oft den Eindruck, als kennen die Kolleginnen und Kollegen ihr Berufsgesetz kaum und lassen sich vielmehr von Gerüchten beeinflussen bzw. verängstigen.
Pflege Professionell: Worin sehen Sie die größte Herausforderung für die Berufsgruppe in naher Zukunft?
Paul Resetarics: Die größte Herausforderung, vor allem für Angehörige des gehobenen Dienstes für Gesundheits- und Krankenpflege, sehe ich darin, die Novelle des Gesundheits- und Krankenpflegegesetzes mit Leben zu füllen. Angehörige des gehobenen Dienstes müssen lernen, dass der Unterschied zu den zukünftigen Assistenzberufen nicht ausschließlich die Durchführung einzelner ärztlicher Tätigkeiten ist, sondern vor allem das pflegerische Wissen das sie dazu qualifiziert, das fachliche Leadership zu übernehmen. Da ich weiß, was die Kolleginnen und Kollegen zu leisten im Stande sind bin ich davon überzeugt, dass auch diese Herausforderung gemeistert werden wird.