Manchmal sind sie flüchtig, manchmal sind sie intensiv –an Berührungen kommen Pflegende nicht vorbei. Dies zeigt die Praxis, dies verdeutlicht das Buch „Berührungen und Beziehungen bei Menschen mit Demenz“, das der Körperpsychotherapeut und Dementia-Care-Trainer Luke Tanner vorgelegt hat. Es ist ein gelungener Aufruf, in der Versorgung von pflegebedürftigen Menschen eine Berührungskultur zu entwickeln.
Diskussionen mit dem Pflegeteam über Berührungen gäben Aufschluss über die Pflegekultur und enthülle, „was Ihre Mitarbeiter davon abhält, die Bewohner auf sinnvolle Weise zu berühren“ (S. 45). Dabei zeigt Tanner eine Sensibilität für die genutzte Sprache bei der Begleitung hilfebedürftiger Menschen. Die Diskussion über menschliche Berührungen erfordere eine Sprache, mit der sich die vielfältigen Berührungsarten beschreiben ließen.
Tanner differenziert die unterschiedlichen Berührungsarten, mit denen Pflegende bzw. auch Pflegebedürftige konfrontiert sind. Er macht sich Gedanken um die „Wahrnehmung von Berührungen bei kognitiver Beeinträchtigung“. Besondere Aufmerksamkeit verdienen seine Einsichten in den Zusammenhang von Tastsinn und Bindung. Dabei geht Tanner von der Überzeugung aus, dass die pflegerische Beziehung „auf einer von Vertrauen und Zuneigung geprägten Verbindung zwischen zwei Menschen“ aufgebaut sei (S. 71). Ohne diese Verbindung könne Pflege weder durchgeführt noch angenommen werden (S. 71). Über die Berührungspraxis, aber auch über die Auseinandersetzung mit dem Begriff der Berührung folgert Tanner: „Ein Betreuer, der person-zentrierte Pflege praktizieren will, muss vor allem lernen, seinen Ansatz so zu verändern, dass die Betroffenen genau die Hilfe bekommen, die zu empfangen sie bereit seien und fähig seien.
Pflegerischen Praktikern ist die Bedeutung vieler alltäglicher Berührungen sicher nicht bewusst. Umso hilfreicher ist, dass Tanner sich auf den Weg gemacht hat, einen intensiven Blick auf die Berührungen in der Pflege zu wagen. Pflegende kommen gar nicht herum, ein tieferes Verständnis von Berührungen zu bekommen. So beschäftigt er sich mit „Berührungen und nonverbaler Zustimmung“ sowie mit „Berührungen, emotionalen Bedürfnissen und Persönlichkeit“.
Eine Grundhaltung zeigt sich, als Tanner über „Berührungen, Beziehungen und Intimität“ schreibt. Tanner erkennt in Berührungen Beziehungserfahrungen. Berührungen stünden für Beziehungen, sie sagten auch etwas über die Erfahrung dieser Beziehungen aus. Die durch Berührungen vermittelten Botschaften repräsentierten und erzeugten starke Gefühle, Emotionen und Beziehungen. Sie seien in physiologischer, psychologischer, emotionaler und sozialer Hinsicht von entscheidender Bedeutung.
Tanners Buch bietet pflegerischen Praktikern die Gelegenheit, in der Flüchtigkeit und Hektik des Alltags innezuhalten. Es ist eine Mahnung daran, dass Unbewusstes immer mal wieder bewusst gemacht wird. Schließlich spüren pflegebedürftigen Menschen mit einer großen Sensibilität, wie ihnen begegnet wird. Geht es um Berührungen, so findet die Begegnung an ganz elementaren Punkten menschlichen Lebens statt. Tanner verbindet die alltäglichen Berührungsphänomene mit der Fähigkeit zum Einfühlungsvermögen. Dies ist gut so.
Wichtig ist ein Impuls, den Tanner zum Schluss des Buchs selbst formuliert: „Ich hoffe, dass Sie nach der Lektüre sicherer im Umgang mit Berührungen werden. Sicherheit im Umgang mit Berührungen hat … nichts mit Sorglosigkeit, blindem Vertrauen oder Naivität zu tun. Wie dieses Buch zeigt, erfordert Sicherheit im Umgang mit Berührungen Bewusstheit, Neugier, Experimentierfreude, Intelligenz, die Fähigkeit zu reflektieren und zu analysieren und den Mut, Maßnahmen, die Betreuer befähigen, effizienter zu kommunizieren, in die Praxis umzusetzen“ (S. 208).
Luke J. Tanner: Berührungen und Beziehungen bei Menschen mit Demenz – Ein person-zentrierter Zugang zu Berührung, Beziehung, Berührtsein und Demenz, Hogrefe-Verlag, Bern 2018, ISBN 978-3-456-85855-5, 271 Seiten, 29.95 Euro.