Die Organisationen der pädiatrischen Hauskrankenpflege fordern, bei der Diskussion zum Thema Pflegeoffensive, nicht auf den speziellen Bereich der Kinder und Jugendlichen zu vergessen.
Wien (OTS) – „Unser Sohn ist gerade vier Jahre alt geworden, wir haben ihn als Neugeborenes adoptiert. Er hat eine schwere Erkrankung. Eine ganz genaue Diagnose seines Krankheitsbildes haben wir nie erhalten. Er hat eine Trachealkanüle, damit man bei drohenden Infekten der Luftwege immer reagieren kann. Er verträgt keine Nahrung, deshalb hat er einen zentralen Venenkatheter über den er hauptsächlich in der Nacht eine Infusion laufen hat. Seine Leberwerte gehören ständig kontrolliert, sodass wir in kurzen Abständen immer wieder mit ihm ins Krankenhaus müssen. Er kann sich sprachlich nicht äußern, aber wenn es ihm gut geht lächelt er. Er kann sich nicht fortbewegen und seine motorische Entwicklung ist stark reduziert. Wir haben noch zwei weitere Pflegekinder im Volksschulalter. Ohne die Pflegekräfte der mobilen Kinderkrankenpflege wären wir nie in der Lage unseren Sohn zu Hause in gewohnter Umgebung zu betreuen. Und wir wissen, dass wir ihn nicht allzu lange bei uns haben werden“, schildert Familie S.
So und nicht anderes sieht es in vielen Familien mit schwer kranken Kindern in Österreich aus. Die Mutter als Hauptpflegekraft ist an die 24 Stunden nur für ihr Kind da. Der Rest der Familie kommt schlichtweg zu kurz. Entlastung ist oft dringend notwendig und das in ausreichendem zeitlichem Maß und durch eine hochqualifizierte Pflegekraft.
In unterschiedlichen Gesetzestexten und deren Novellierungen, wie auch in Projekten und Modellen hinsichtlich einer Verbesserung der Pflegesituation von schwer kranken Menschen ist hauptsächlich oder lediglich von der Altenpflege die Rede.
Meist wird von der besonderen Situation chronisch kranker Menschen gesprochen, auf die belastende Situation von Kindern und Jugendlichen mit chronischen Erkrankungen und schwersten Mehrfachbehinderungen wird nicht eingegangen.(Jüngstes Beispiel: Kärntner Soziales-Zielsteuerungsgesetz – K-SZSG – Sozialkonferenz gemäß § 6 K-SZSG – es ist lediglich von der Behindertenhilfe, der Altenpflege und der Kinder- und Jugendlichenhilfe die Rede.) Im aktuellen Masterplan Pflege der Bundesregierung ist von tollen Schlagwörtern die Rede – würdige Lösung, Konzentration auf die Pflege zu Hause, menschenwürdige und gleichermaßen hochwertige Pflege, individuell angepasste Pflegeformen – wo wir wieder bei den Kindern und Jugendlichen sind, welche durchwegs individuelle Lösungen brauchen.
Kinder und Jugendliche, mit einer schweren – oft auch lebenslimitierend – chronischen Erkrankung, bedürfen einer hochqualifizierten Pflege, wobei diese auch eine dementsprechend hochqualifizierte Ausbildung vorweisen muss.
Der Schwerpunkt der extramuralen Betreuung (pädiatrischen Hauskrankenpflege) liegt besonders bei Kindern und Jugendlichen mit
- Heimbeatmung,
- speziellen Sonden,
- spezieller Stomaversorgung,
- komplexen Stoffwechselerkrankungen,
- schwer medikamentös einstellbaren Epilepsieerkrankungen,
- Schwer- und Mehrfachbehinderung unklarer Genese.
Und das sind nur einige Beispiele, welche immer wieder eine Herausforderung in der Versorgung darstellen.
Kinder sind keine kleinen Erwachsenen – das ist ganz oft das Thema in der Kinderkrankenpflege. Kinder haben besondere Bedürfnisse, auf diese muss kindgerecht eingegangen bzw. individuell versorgt werden. Hier geht es nicht einzig und alleine um die medizinisch-pflegerische Versorgung, sondern auch um die Herausforderungen rund um das Kind. Das gesamte Familiensystem muss unterstützt werden, die Belastungen, welche auf die Familie einwirken, sind enorm. Eltern benötigen in der Betreuung ihrer Kinder sehr viel Unterstützung und Entlastung in der Pflege, welches oft ein besonders empathisches Herangehen voraussetzt.
„Ganz wichtig ist in unserer täglichen Arbeit das Erkennen der besonderen Bedürfnisse, das Einfühlen in den kleinen Klienten, spüren, kennen lernen, einfach mit dem Herzen sehen – Emotionen bei schwer mehrfachbehinderten Kindern zuordnen zu können. Schmerzen muss ich sofort erkennen und dann schnell und adäquat reagieren. Außerdem braucht es eine fundierte theoretische Grundlage um die Physiologie des kindlichen Organismus zu verstehen. Noch wesentlicher ist die praktische Ausbildung“, so Jasmin P., DGKP Kinder- und Jugendlichenpflege.
Im Curriculum der Gesundheits- und Krankenpflege ist ein Kinderkrankenpflegemodul schlichtweg nicht vorhanden. Einzig zwei ECTS, das heißt ca. 50 Stunden sind in der generalistischen Ausbildung für den Kinderbereich vorgesehen. Eine Zusatzausbildung beziehungsweise Spezialisierung für die Kinder- und Jugendlichenpflege wird es nur mehr vereinzelt geben. Es wird möglich sein die Kinderintensivausbildung zu absolvieren, somit sind fünf Jahre Studium nötig um im Kinderbereich sattelfest zu sein. Die Praktika während der Ausbildung sind besonders im Kinder- und Jugendlichenbereich (160 Stunden) verschwindend gering angesetzt, wobei diese unserer Meinung nach von entscheidender Bedeutung wären. Die Einschulung in der pädiatrischen Hauskrankenpflege von ausgebildeten Fachpflegepersonen der generalistischen Ausbildung nimmt wesentlich mehr Zeit in Anspruch. Die Einschulungszeit dauert hier bis zu drei Monate, da wesentliche Module in der Kinderkrankenpflege in der Ausbildung fehlen. Hier fordern wir eine dementsprechende finanzielle Unterstützung der mobilen Dienste.
Im mobilen Kinderkrankenpflegebereich ist es in den letzten Jahren zu einem gefährlichen Engpass an qualifiziert ausgebildeten Pflegepersonal gekommen. Mit der Ausbildungsnovelle sehen wir uns nicht in der Lage, die Kinder und Jugendlichen, welche immer komplexere Krankheitsbilder aufweisen bestens zu versorgen.
Die Erfahrung der letzten Monate bestätigt unsere Befürchtungen, dass zukünftiges diplomiertes Pflegepersonal im Kinder- und Jugendlichenbereich nur mit sehr viel zusätzlichen Schulungsangeboten eingesetzt werden kann. Speziell im extramuralen Bereich, also in der pädiatrischen Hauskrankenpflege ist diese Schulung mit extremen Kosten und zusätzlichen Herausforderungen verbunden.
Das Ziel der Vereine ist, die oben erwähnten Kinder, Jugendliche und ihre Familien fachspezifisch zu versorgen, zu begleiten und zu betreuen. Und das mit ausreichend qualifizierten Personal.
Derzeit wird von der Politik über eine Pflegeoffensive und ein neues Pflegekonzept diskutiert.
Die Organisationen der pädiatrischen Hauskrankenpflege fordern hiermit, bei der Diskussion und den Überlegungen nicht auf den speziellen Bereich der Kinder und Jugendlichen zu vergessen.
Wir stehen gerne für einen fachlichen Diskurs zur Verfügung.