Wien (OTS) – In Österreich leiden rund 400.000 Menschen an einer der etwa 8000 seltenen Erkrankungen, mehr als die Hälfte davon sind Kinder und Jugendliche. Von den ersten Symptomen bis zur richtigen Diagnose ist es oft ein langer und mühevoller Weg für die kleinen Patienten und deren Eltern, der auch eine große psychische Belastung darstellt. Sobald die Diagnose gestellt ist, beginnt die meist intensive Zeit der Therapien – sofern es für die Erkrankung wirksame Therapiemöglichkeiten gibt und diese von der Krankenkasse finanziert werden.
Der 9. Europäische Kongress der Seltenen Erkrankungen, der am 11. und 12. Mai 2018 mit 1000 TeilnehmerInnen in Wien stattfand, zeigte deutlich die Diskrepanz zwischen großen Fortschritten in der Wissenschaft und der Entwicklung neuer Therapien einerseits und deren lückenhafter Finanzierung durch das Gesundheitssystem auf der anderen Seite. Noch immer haben nicht alle Patienten gleichberechtigten Zugang zu kostenfreien Therapien. „Wenn einem kleinen Patienten mit einer seltenen Erkrankung nach langem Leidensweg für ihn und seine Eltern endlich eine Diagnose gestellt wurde, muss auch umgehend der Zugang zu den medizinisch indizierten notwendigen Therapien kostenfrei möglich sein,“
sagt Dr. Christoph Hackspiel, Präsident der Österreichischen Liga für Kinder- und Jugendgesundheit (Kinderliga).
Konkreter Anlassfall
Konkret erregte in den letzten Tagen der Fall eines jungen muskelkranken Buben aus der Steiermark Aufsehen. Trotz dringender medizinischer Indikation einer bestimmten Therapie wird dieser Familie die Kostenübernahme durch die KaGes verweigert, obwohl sie in anderen vergleichbaren Fällen gewährt wurde. „Wenn es wie hier für einen jungen Patienten die medizinische Indikation für eine medikamentöse Therapie durch seine behandelnden Ärzte gibt, dann ist aus medizinischer und ethischer Sicht nicht nachvollziehbar, weshalb dieser Krankenanstaltenbetreiber im Gegensatz zu anderen Bundesländern die Finanzierung nicht bewilligt“
, so Hackspiel. Der Kinderliga-Präsident verweist auf den Gleichheitsgrundsatz, den er dann missachtet sieht, sobald nicht alle Kinder und Jugendliche, für die ein bestimmtes Medikament oder eine spezielle Therapie vorgesehen sind, diese auch bekommen. „Chancengerechtigkeit kann es nur geben, wenn alle Kinder und Jugendliche, unabhängig von ihrem sozialen Status oder der Seltenheit bzw. Schwere ihrer Erkrankung, raschen Zugang zu kostenfreien Therapien haben“
, bekräftigt Hackspiel erneut die langjährige Forderung der Kinderliga nach kassenfinanzierten Therapieplätzen für alle Kinder und Jugendliche. Noch immer beträgt die Wartezeit auf einen Therapieplatz für Kinder 3 – 15 Monate[i], wodurch für die kleinen Patienten wichtige Entwicklungszeit verloren geht.
Psychosoziale Auswirkungen von Seltenen Erkrankungen
Chancengerechtigkeit bedeutet für die Kinderliga auch, die schwerwiegenden psychosozialen Auswirkungen, die das Leben mit einer seltenen Erkrankung auf Kinder und Jugendliche und auch auf deren Angehörige – Eltern, Geschwisterkinder, nahe Verwandte – hat, zu beachten und unterstützende Maßnahmen anzubieten. Hier gibt es in Österreich nach wie vor so gut wie keine Angebote, obwohl Studien in diesem Zusammenhang die Wichtigkeit einer guten Lebensqualität betonen und deren Auswirkungen auf körperliche und seelische Gesundheit belegen.
Web: www.kinderliga.at
[i] Vgl. http://www.hauptverband.at/cdscontent/load?contentid=10008.564472 , Seite 28