Die Diagnose Demenz teilt das Leben in ein davor und danach. Sie sorgt für Angst und Verunsicherung. Die Volkshilfe lässt die Menschen damit nicht allein.
Seit mehr als zwei Jahren gibt es den Verein PROMENZ, eine Selbsthilfegruppe von Menschen mit Vergesslichkeit. Sie haben bewusst den Namen PROMENZ gewählt, weil sie nicht „de-ment“, also „ohne Geist“ genannt werden wollen. Betroffene treffen sich 14-tägig in einer Gruppe und sprechen darüber, wie sie ihr Leben mit der Diagnose bewältigen.
PROMENZ Gruppentreffen fanden bisher im Kardinal-König-Haus und seit mehr als einem Jahr in Klosterneuburg statt. Nun wird es alternierend zum 13. Bezirk auch im 17. Bezirk eine Gruppe geben.
Wir freuen uns zum Auftakt dieser Treffen unsere Broschüre „Selbständig leben mit PROMENZ“ vorstellen zu dürfen, welche die Volkshilfe gemeinsam mit PROMENZ entwickelt hat.
Zitate
Beatrix Gulyn, lebt selbstbestimmt mit PROMENZ: „Es geht im Leben nicht darum, zu warten bis das Unwetter vorbeizieht. Es geht darum, zu lernen im Regen zu tanzen.“
Erich Fenninger, Direktor der Volkshilfe Österreich: „Die Diagnose Demenz bedeutet für viele Menschen den Verlust der Selbstständigkeit und das Angewiesensein auf Angehörige und PflegerInnen. Dass es trotz aller Einschränkungen ein Leben nach der Diagnose gibt, dass Selbstbestimmung nach wie vor möglich und wichtig ist, sehen wir in unserer täglichen Arbeit mit demenzkranken Menschen. Der Erfahrungsaustausch in den der Selbsthilfegruppen von PROMENZ, gibt den Menschen die Anerkennung und Lebensfreude zurück, die wir ihnen als Gesellschaft oft absprechen.“
Raphael Schönborn, Geschäftsführer PROMENZ: „PROMENZ betrifft uns alle! Demenz ist mehr als eine Erkrankung. Betroffene werden auf gesundheitlicher und sozialer Ebene beeinträchtigt. Selbsthilfe unterstützt bei der Bewältigung, stärkt den Selbstwert und die Lebensqualität und fördert die Selbstvertretung. Wir setzen uns für Entstigmatisierung und Enttabuisierung ein, damit sich die Verhältnisse für Betroffen und An- und Zugehörige verbessern.
Zahlen und Fakten zu Demenz
Alle drei Sekunden erkrankt ein Mensch an Demenz. Von den rund 50 Millionen Menschen, die 2018 weltweit von Demenz betroffen waren, leben etwa 11 Millionen in Europa. WissenschafterInnen prognostizieren, dass sich die Anzahl der an Demenz Erkrankten bis 2050 weltweit auf 152 Millionen verdreifachen wird (vgl. World Alzheimer Report 2018).
Etwa 130.000 Menschen in Österreich leiden laut Schätzungen an einer demenziellen Beeinträchtigung. 2050 wird diese Zahl auf etwa 230.000 ansteigen. In Österreich wird jährlich etwa eine Milliarde Euro für die Versorgung Demenzkranker ausgegeben (Österreichische Alzheimer Gesellschaft 2019). Weltweit lagen die geschätzten Ausgaben für Demenz im Jahr 2018 bei 1 Billion US-Dollar (vgl. World Alzheimer Report 2018).
Was meinen wir mit PROMENZ?
Demenz ist der Oberbegriff für Krankheitsbilder, die mit einem Verlust der geistigen Funktion im Zuge des Älterwerdens wie Denken, Erinnern, Orientieren einhergehen. Die Alzheimer-Krankheit als häufigste Demenzform tritt hauptsächlich bei Menschen über 70 Jahren auf. Konkret beginnt die Erkrankung schleichend und nicht plötzlich wie ein Herzinfarkt. Am Anfang werden Kleinigkeiten vergessen wie beispielsweise der Schlüssel zu Hause oder ein wichtiger Termin. Veränderungen werden von Betroffen und in den Familien häufig nicht offen angesprochen und bagatellisiert. Demenz ist immer noch ein Tabuthema.
Der Name PROMENZ bedeutet so viel wie „für den Geist“. Entwickelt haben diesen Namen die Mitglieder der gleichnamigen Selbsthilfegruppe von Menschen mit Vergesslichkeit. Er soll einen bewussten Gegenpol zum Begriff Demenz – „ohne Geist“ bilden.
Die Volkshilfe setzt sich seit vielen Jahren mit dem Thema auseinander und entwickelt laufend neue Angebote, wie Tageszentren für Menschen mit demenziellen Beeinträchtigungen bzw. Menschen mit Demenz, oder das umfassende Angebot an Informationen und Hilfe in allen Pflegefragen. Aktuell arbeiten wir gemeinsam mit dem Verein PROMENZ zusammen, um ein selbstbestimmtes Leben mit Demenz für mehr Menschen zu ermöglichen.
In unserer neu erschienenen Broschüre „Selbstständig leben mit PROMENZ“ erfährt man, was Gedächtnisschwäche für Betroffene bedeutet und dass Demenz mehr als nur eine Erkrankung ist. Die Broschüre gibt Einblick in die PROMENZ-Gruppen, wie diese aufgebaut sind und funktionieren und welches Handwerkszeug man als UnterstützerIn benötigt.
Wie gehen Menschen mit Vergesslichkeit mit ihren Beeinträchtigungen im Alltag um?
Die PROMENZ-NutzerInnen tauschen sich in der Gruppe häufig über ihre Bewältigungsstrategien aus. Die Achtsamkeit, die sie in ihrem Alltag an den Tag legen, erstaunt UnterstützerInnen oft. Sie bereiten sich sehr aufmerksam auf kommende Situationen vor und sind sich möglicher Gefahren bewusst. Sie achten auf ihre Sicherheit.
Eine PROMENZ-Botschafterin: „Früher bin ich oft bei Rot über die Straße gegangen. Heute weiß ich, mein Gesichtsfeld ist eingeschränkt.“
Und was macht man, wenn man einen Topf am Herd vergisst? Eieruhr mitnehmen, Herd mit Zeitschaltautomatik, die Kindersicherung der Tochter wieder auspacken. Die vielen „Merkwürdigkeiten des Alltags“ schreiben manche in Bücher oder nutzen aufgehängte Notizzettel. Stehkalender sind beliebt zum Vermerken von Terminen. Einige nutzen auch digitale Medien und ihre vielen Funktionen.
Es empfiehlt sich für Betroffene, den Alltag klar zu strukturieren. Ein Tages- und Wochenablauf mit verschiedenen Aktivitäten hilft lange die Selbstbestimmung zu behalten. Manche unserer NutzerInnen haben fast täglich Termine und nutzen viele Angebote zu einem guten Leben. Sie machen regelmäßig Bewegung vom Laufen bis hin zu ausgedehnten Spaziergängen. Das vermindert die Unruhe, die zu den Symptomen gehört. Es stärkt aber auch den Allgemeinzustand, die Orientierung, das Körpergefühl und die Gedächtnisleistung.
Manche stehen das erste Mal vor der Frage: „Was tut mir gut?“ Und schon das darüber nachdenken gibt ein gutes Gefühl. Sie nützen vielleicht Angebote aus der Musik und Kunsttherapie. Wieder andere heben die Schätze ihrer Erinnerungen oder trainieren allein und in Gruppen gerne auch spielerisch ihr Gehirn. Wir Menschen sind soziale Wesen, darum ist auch das Wichtigste in unserem Leben der Kontakt zu anderen Menschen – mit und ohne irgendwelche Diagnosen.
PROMENZ – Wie sieht die Selbsthilfe konkret aus?
Ausgehend von den Erfahrungen der Pioniergruppe PROMENZ in Wien in den ersten fünf Jahren, sollen bis Ende 2020 mindestens fünf unterstützte Selbsthilfegruppen von Menschen mit Vergesslichkeit in Österreich etabliert werden. In der Gruppe sind nur Betroffene.
Betroffene sind Menschen mit Vergesslichkeit, die den Verdacht auf Demenz haben oder bereits mit einer Demenzdiagnose leben. An- und Zugehörige werden außerhalb der Selbsthilfegruppe beraten. Die PROMENZ-Selbsthilfetreffen finden vierzehntägig statt. Sie dauern etwa zwei Stunden. Die Teilnahme ist kostenlos. An jedem Treffen nehmen höchstens 12 Personen, sowie nach Möglichkeit zwei UnterstützerInnen teil.
Mehr Informationen zu den Selbsthilfegruppen von PROMENZ:
Über die Webseiten www.promenz.at und www.demenz-hilfe.at