AT: Schmerzreduktion ermöglichen auch Krebspatienten körperliches Training

9. November 2019 | News Österreich, Onkologie | 0 Kommentare

Die vorbeugende und therapeutische Wirkung von regelmäßiger Bewegung ist heute zweifelsfrei erwiesen. Menschen auch im fortgeschrittenen Alter, die pro Woche zweimal muskelkräftigende Einheiten mit einem Tera-Band oder im Fitness-Center sowie zumindest 150 Minuten pro Woche moderate Ausdaueraktivitäten wie zügiges Gehen absolvieren, bleiben selbstständiger, sind weniger auf fremde Hilfe angewiesen und ersparen sich und der Gesellschaft Kosten für Pflege und Betreuung. (https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/31119390)

Beispiel: Positive Wirkung von regelmäßigem Training auch bei Menschen mit Krebs erwiesen

In Österreich leben rund 300.000 Menschen mit Krebs, jährlich gibt es 36.000 bis 40.000 Neuerkrankungen. Krebs-Patienten sind häufig durch Symptome, Funktionsstörungen und Defizite beeinträchtigt, die durch die Krankheit selbst, durch Begleit- und Folgeerkrankungen sowie durch die erforderlichen Therapien bedingt sein können. Onkologische Rehabilitation setzt direkt bei individuellen Defiziten und Ressourcen an und ist wesentlich zur Verbesserung der Funktion, der Lebensqualität und der Teilnahme (Partizipation) der Patienten. Für Patienten mit entsprechendem Bedarf und gutem Rehabilitationspotenzial kommt eine onkologische Rehabilitation in Frage, bei der in der Regel Bewegungs- und Kraft-Training eine wichtige Rolle spielen. Allerdings sind Krebspatienten, bedingt durch starke Schmerzen, häufig in ihrer Beweglichkeit beeinträchtigt, was aktive Bewegung erschwert oder unmöglich macht. Ein Ziel der Physikalischen Medizin ist hier, die Schmerzen zu reduzieren und damit die Beweglichkeit zu verbessern.

Stoßwellentherapie auch bei Krebserkrankungen erlaubt und empfehlenswert

Eine neue Erkenntnis ist, dass zum Erreichen dieses Ziels der Einsatz der Stoßwellenbehandlung bei Krebspatienten erlaubt ist. Stoßwellen sind energiereiche Schallwellen. In der modernen Schmerztherapie wird mittels extrakorporaler Stoßwellentherapie (ESWT) die Energie der Stoßwellen auf die Schmerzzonen im menschlichen Körper übertragen. Damit können Heilungsprozesse im Körper beschleunigt, der Stoffwechsel angeregt und die Durchblutung gesteigert werden, geschädigtes Gewebe kann sich regenerieren. Die Schmerzursachen, zum Beispiel bestimmte krankhafte Veränderungen an Sehnen, Bändern, Kapseln, Muskeln und Knochen können so beseitigt werden.

Allerdings wurde bis vor kurzem Krebs als Kontraindikation für eine ESWT betrachtet. Eine rezente Publikation der Universitätsklinik für Physikalische Medizin, Rehabilitation und Arbeitsmedizin der MedUni Wien weist ganz klar auf das Gegenteil hin: „ESWT ist eine sichere und wichtige Methode für die unterstützende Behandlung und Rehabilitation von Krebspatienten.“ Der Einsatz der ESWT sei bei Krebspatienten bei Diagnosen wie zum Beispiel Fersensporn, Schmerzsyndrom der Achillessehne, Kalkschulter, Tennisellbogen, Wundheilungsstörungen oder chronischen Wunden erlaubt, sofern sich der Tumor nicht im behandelten Gebiet befindet. Bei bestimmten Schmerzen des Bewegungsapparates (myofasziales Schmerzsyndrom), erektiler Dysfunktion, Polyneuropathie und Lymphödemen empfiehlt die Internationale Gesellschaft für Medizinische Stoßwellentherapie das Verfahren als Expertenindikation.

Das ist ein wichtiger Fortschritt, weil damit ermöglicht wird, dass Patienten mit Krebs von den Vorteilen von Bewegungs- und Krafttrainings profitieren. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/31446484

Neue Empfehlungen für das Training bei Knochenmetastasen und Multiplem Myelom

Die MedUni Wien hat auch ein praktisches Konzept präsentiert, das es Menschen mit Knochenmetastasen und Multiplem Myelom, einer bösartigen Erkrankung des Knochenmarks, ermöglichen soll, möglichst risikolos regelmäßig Bewegungs- und Kraft-Trainings zu betreiben und physikalische Verfahren zu nutzen. Physikalische Therapie hat bei solchen Erkrankungen gemeinsam mit Medikamenten und Bestrahlung einen hohen Stellenwert in der Schmerzbehandlung, es geht aber auch um das Erhalten der Mobilität und Unabhängigkeit.

Damit es dabei nicht zu unerwünschten Effekten wie pathologischen Knochenbrüchen kommt, ist die exakte Kenntnis etwa der Belastbarkeit der betroffenen Skelettstrukturen erforderlich. Dafür braucht es auf der Grundlage umfassender Untersuchungen in einem interdisziplinären Setting individuell maßgeschneiderte Trainings- und Rehabilitationsprogramme, die im Tumor-Bord definiert werden, um die Sicherheit und Wirksamkeit regelmäßiger körperlicher Aktivität, Bewegung und physikalischer Therapien sicher zu stellen. (https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/31267163)

Maßnahmen aus der PMR sind für die berufliche Eingliederung nach schwerwiegenden Erkrankungen wie Krebs am wichtigsten.

Moderne Krebstherapien führen zu höheren Überlebensraten, was für Patienten auch die Bedeutung der Wiederaufnahme der Arbeit erhöht. Etwa 35 Prozent der Krebspatienten sind in einem Alter zwischen 15 und 65 Jahren, etwa ein Drittel von ihnen wird im Zuge der Erkrankung arbeitslos.

Multidisziplinäre Programme im Rahmen des Wiedereingliederungsteilzeitgesetzes (WIETZ) sollen einen Brückenschlag zur Wiederaufnahme der Arbeit bieten. Maßnahmen der Physikalischen Therapie bei der Krebs-Rehabilitation spielen eine zentrale Rolle in der Verbesserung der Lebensqualität, der Funktion und Teilhabe. Sie reduzieren außerdem krebs- und behandlungsbezogene Symptome. Das gilt ganz besonders für Training zur Verbesserung der sensomotorischen Funktion, der Ausdauer und Muskelkraft. Das ist das Ergebnis einer Befragung von 30 Experten ein halbes Jahr, nachdem 2017 in Österreich das Wiedereingliederungsteilzeitgesetz nach Langzeitkrankenständen in Kraft getreten ist. Es sei deshalb besonders wichtig, betroffene Patienten über das WIETZ sowie die Möglichkeiten der Krebsrehabilitation zu informieren. (https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/31087151)

Telerehabilitation spielt in der Physikalischen Medizin eine immer wichtigere Rolle

Zahlreiche Maßnahmen, welche die gesundheitliche Situation von Patienten verbessern und deren Lebensqualität erhöhen können, müssen heute nicht mehr Indoor oder stationär erfolgen, sondern können dank Online-Programmen aus zu Hause stattfinden.

Ein Beispiel für diesen Trend ist die Einführung eines Online-Trainingsprogramms für Menschen mit Hämophilie. Bei der „Bluterkrankheit“ ist die Blutgerinnung gestört, es kommt häufig zu spontanen Blutungen, zum Beispiel in die Gelenke, wobei die großen Gelenke besonders betroffen sind. Häufig kommt es so zu starken Schmerzen. Regelmäßige Bewegungsprogramme können in solchen Fällen die Funktion und Stabilität der Gelenke verbessern, das Verletzungs- und Blutungsrisiko verringern und die Fitness und Lebensqualität erhöhen.

Die MedUni Wien hat ein Online-Trainingsprogramm für Betroffene entwickelt, denen der regelmäßige Besuch eines spezialisierten Trainingszentrums nicht möglich ist, etwa wegen ihres Wohnortes oder ihrer beruflichen Inanspruchnahme. Es kann über die Klinik-Homepage (https://physmedrehab.meduniwien.ac.at/patientinneninformationen/online-trainingsprogramm) ebenso bezogen werden wie über Handy oder Tablet über das Scannen eines QR-Codes. Das Programm beinhaltet Übungen zur Verbesserung der Mobilität, Koordination, Muskelkraft, und Beweglichkeit. Experten unterschiedlicher medizinischer Disziplinen führen in das Programm ein, spezielle Videos informieren über die nötigen Vorsichtsmaßnahmen, Kontraindikationen, die Bedeutung der medikamentösen Behandlung und die Zusammenstellung des Trainings. Die vorgestellten Übungen werden von Experten erklärt. Für individuelle Trainingsempfehlungen etabliert die Klinik spezielle Konsultationen. Patienten können so niedrigschwellig, zeitsparend und kostenlos zu Hause trainieren und von den vielen Vorteilen einer verbesserten körperlichen Fitness und Gelenksstabilität profitieren.

Gegenwärtig werden Daten zur Akzeptanz und Nutzung des Videoprogramms gesammelt und demnächst vorgestellt. (https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/31535221)

Onko-Rehabilitation geht Online: Erste Video-Konferenz für Brustkrebspatientinnen

Gemeinsam mit Onkologen und anderen Experten sowie deren Therapeutenteams wurde die innovative Online-Brustkrebsnachsorge-Konferenz SURVIVA 2018 implementiert: gratis, olnine, und mit einem einfachen und anonymen Zugang zu profunden Informationen und Hilfestellungen durch Spezialisten. Themen waren Diagnose, Behandlung, Rehabilitation, Lebensstilfaktoren wie Bewegung und Ernährung, das Management von Angst und Stress. Aus dem Bereich der Physikalischen Medizin wurden Videos zum Beispiel mit Expertenstatements zum Nutzen, zu den Risiken und Kontraindikationen von Trainingsprogrammen produziert. Zusätzlich gab es Video-Anleitungen zur Verbesserung der Ausdauer, Muskelkraft, Beweglichkeit und sensomotorische Funktion – ein Thema pro Tag über sechs Tage, damit die Teilnehmerinnen zu Hause üben konnten.

Nach den sehr guten Ergebnissen der vergangenen SURVIVA-Konferenz – es gab 653 Teilnehmerinnen – erwarten die Experten für die nächste Online Konferenz SURVIVA 2019 bereits 2.000 Teilnehmerinnen, die ihren Brustkrebs drei Jahre nach der Behandlung überlebt hatten. Dieses innovative Konzept, so die Initiatoren, soll auch in mehrere Sprachen und für unterschiedliche soziokulturelle Zielgruppen produziert werden, um möglichst viele Brustkrebs-Patientinnen zu erreichen und zu unterstützen. Das Projekt könne auch sehr gut auf Patienten mit anderen Krebsformen ausgedehnt werden. (https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/31001693)

Autor:in

  • Markus Golla

    Studiengangsleiter "GuK" IMC FH Krems, Institutsleiter Institut "Pflegewissenschaft", Diplomierter Gesundheits- und Krankenpfleger, Pflegewissenschaft BScN (Umit/Wien), Pflegewissenschaft MScN (Umit/Hall)