Ich möchte Sie im Vorfeld unseres Kongresses auf einige aktuelle Entwicklungen in der Palliativmedizin in Österreich aufmerksam machen. Es kommt – insbesondere aufgrund des kontinuierlichen Engagements der Österreichischen Palliativgesellschaft – viel Positives in Bewegung, das die Palliativversorgung nachhaltig verbessern wird.
Fangen wir bei der Ausbildung der Ärzte in der Palliativmedizin an. Der OPG war und ist es ein großes Anliegen, dass sich bereits angehende Ärztinnen und Ärzte im Studium umfassend mit Palliativmedizin auseinandersetzen, das nötige Know-how erwerben und den angemessenen Zugang zum Umgang mit schwer kranken und sterbenden Menschen entwickeln. Dieses Ziel haben wir erfreulicherweise erreicht: Palliativmedizin ist inzwischen im Medizinstudium verankert und in die Lehrpläne aller Medizinuniversitäten und Fakultäten aufgenommen. Dies in unterschiedlicher Form, etwa als Seminare oder Vorlesungen. Auch an der Medizinischen Universität Wien ist das Thema präsent. Studierende können sich beispielsweise in Übungen zur ärztlichen Gesprächsführung mit Schauspielpatienten auf den Umgang mit Menschen in palliativen Situationen vorbereiten. Im klinisch-praktischen Jahr des Studiums gibt es seit fünf Jahren eine Abschlussvorlesung zu Palliativmedizin, die in den Evaluierungen stets mit Bestnoten bewertet wird. Das sagt nicht nur etwas über die Qualität der Lehrveranstaltung aus, sondern verdeutlicht auch den hohen Stellenwert des Themas für die Studierenden.
Auch in der postpromotionellen Ärzteausbildung hat die Palliativmedizin einen deutlich größeren Stellenwert bekommen. Davon verspreche ich mir sehr viel für die Qualität der künftigen Palliativversorgung. Die Ärzteausbildung wurde 2017 insgesamt neu aufgesetzt. Mit Unterstützung der Ärztekammer und des Gesundheitsministeriums konnten wir dabei erreichen, dass Palliativmedizin sich in allen fachärztlichen Ausbildungen findet. Egal, ob künftige Pathologen, Labormedizinerinnen oder Internisten: Alle müssen in Rasterzeugnissen nachweisen, die nötigen palliativmedizinischen Kenntnisse, Erfahrungen und Fertigkeiten erworben zu haben. Man muss also nicht nur Prüfungen abgelegt, sondern auch ausreichend viele Patienten gesehen und palliativmedizinisch behandelt haben. Das ist ein großer Fortschritt. Die Ärztinnen und Ärzte in Ausbildung sehen und behandeln nicht nur Menschen auf Palliativstationen – davon gibt es nicht ausreichend viele. Sie gehen in alle Stationen, denn überall können sterbende Patienten betreut werden. Im Grunde sollte diese Qualifikation ausreichen, damit in Zukunft für den Großteil der Palliativpatientinnen und
-patienten eine gute Grundversorgung ermöglicht wird, sei es im Spital, im Pflegeheim oder zu Hause.
Mit der Neuordnung des Ärzteausbildungsgesetzes ist noch eine weitere entscheidende Verbesserung gekommen, für die sich die OGP gemeinsam mit der Österreichischen Gesellschaft für Innere Medizin (ÖGIM) und der Österreichischen Gesellschaft für Anästhesiologie, Reanimation und Intensivmedizin (ÖGARI) massiv eingesetzt hat: Ärztinnen und Ärzte können sich nach Abschluss der fachärztlichen Ausbildung nun auch noch in der Spezialisierung Palliativmedizin qualifizieren und müssen dafür ein Jahr lang auf einer Palliativstation arbeiten. Das geht deutlich über das bereits bisher bestehende ÖÄK-Diplom Palliativmedizin hinaus. Möglich ist diese Spezialisierung für Allgemeinmedizinerinnen und
-mediziner sowie für Fachärztinnen und -ärzte für Anästhesie, Innere Medizin, Gynäkologie, Neurologie und Pädiatrie. Mit dieser fundierten Ausbildung sind sie befähigt, auf Palliativstationen zu arbeiten und jene zehn bis 20 Prozent von Kranken kompetent zu betreuen, die eine spezialisierte Versorgung in einer komplexen palliativen Situation brauchen. Ärztinnen und Ärzte mit dieser Spezialisierung können außerdem den palliativmedizinischen Konsiliardienst in Krankenhäusern ohne Palliativstationen übernehmen oder mobile Palliativteams fachlich anleiten.
Als wichtigen Durchbruch werte ich auch, dass 2017 im Österreichischen Strukturplan Gesundheit (ÖSG) die Palliativstationen ausdrücklich aufgenommen wurden. Deutlich wie in kaum anderen Bereichen wurde hier definiert, welche Qualifikation das Personal mitbringen muss, Leitung und Pflege eingeschlossen. Außerdem hat der Österreichischen Strukturplan Gesundheit ein genaues Mengengerüst für palliative Spitalbetten, mobile Palliativdienste und Konsiliardienste festgelegt. Der ÖSG ist verbindlich, die geplante Versorgung soll also tatsächlich entlang dieses Plans wachsen. So positiv das alles ist, fehlt mir persönlich allerdings im Moment die Dynamik in der Umsetzung. Die abgestufte Palliativversorgung ist immer noch nicht so ausgebaut, wie sie sein sollte. Der Ausbaugrad der Palliativstationen ist mit etwa 90 Prozent zwar schon sehr gut, die Versorgung durch mobile Palliativteams ist ebenfalls beachtlich, aber es gibt noch zu wenige Hospize.
Vor vier Jahren wurde in der parlamentarischen Enquete „Würde am Ende des Lebens“ das Problem der Unterversorgung thematisiert und Wege dargelegt, die zu einer Verbesserung dieser Situation führen sollten. Seither sind tatsächlich einige flankierende und vorbereitende Maßnahmen getroffen worden, wie beispielsweise die Aufnahme der Thematik in das Regierungsprogramm oder die zuletzt erfolgte Etablierung eines Forums, in dem unter anderem die komplexe Finanzierung zwischen Bund, Ländern und Sozialversicherung akkordiert werden soll. Doch seit der parlamentarischen Enquete ist erst die Hälfte der dringend notwendigen Versorgungseinrichtungen für Erwachsene und Kinder entstanden – und davon ist wiederum nur kleiner Teil durch eine fixe Regelfinanzierung abgesichert. Es bleibt zu hoffen, dass der 2015 einstimmig im Nationalrat geforderte und inzwischen auch im Regierungsprogramm 2018 festgeschriebene „Ausbau der Kapazitäten für Hospiz- und Palliativpflege und Überführung in eine nachhaltige und effektive Finanzierung ab dem Jahr 2022“ auch tatsächlich umgesetzt wird. Die Zeit läuft.