Ministerin Brigitte Zarfl lud am 25.11.2019 zur Konferenz bzgl. der Präsentation zu den Studien „Bedarfsprognose für Pflegepersonal“ und „Finanzierung der Langzeitpflege“. Zarfl sieht die Aufgaben des Pflegeresorts als zentrales Thema für das Sozialministerium. Nun stehen durch die Ergebnisse dieser beiden Studien relevante Inhalte für weiteres Vorgehen zur Verfügung. Ebenso betonte sie schon bisher gesetzte und umgesetzte Schritte wie die jährliche Valorisierung des Pflegegeldes und der nun bestehende Rechtsanspruch auf Pflegekarenz und Pflegeteilzeit. Im Oktober wurde außerdem, so Zarfl, in Zusammenarbeit mit dem ORF der Themenschwerpunkt pflegende Angehörige und Demenz medial breit dargestellt. Die nun zur Verfügung stehenden Studien sollten auch den einzelnen Ländern als Information für die Umsetzung von Maßnahmen zum Thema Personal in der Pflege dienen. Ebenso betonte sie, dass auch jetzt schon Maßnahmen im Arbeitsmarktservice gesetzt werden und weitere Mittel bereitgestellt werden sollen.
Martin Kocher, IHS, präsentierte die Studie zur Finanzierung der Langzeitpflege unter Berücksichtigung europäischer Finanzierungsmodelle und die Rolle von Prävention, wobei die Studienschwerpunkte auf der Finanzierung der Langzeitpflege und der Prävention von Pflegebedürftigkeit lagen. 1,3% bis 1,9% des österr. Bruttoinlandproduktes sei zur Finanzierung der Pflege, so Kocher. Dieser Betrag werde sich in den nächsten 30 bis 50 Jahren verdoppeln. Daher konzentrierte sich der Fokus der Studie auf drei Schwerpunkte: die Mittelaufbringung für Pflege, die Reformen im internationalen Vergleich sowie die von den verglichenen Ländern gesetzten Initiativen. Für Österreich müsse ein Finanzausgleich die demografische Struktur berücksichtigen und Zielsteuerungsprozesse würden für die Pflege gebraucht. Eine Etablierung von Gesundheitspflege und eine Optimierung der Nahtstellen im Gesundheitsbereich sollte Kosten sparen. Obwohl derzeit eine geringe Studienlage zur Kostenreduktion hinsichtlich Prävention bestehe, könne man davon ausgehen, dass diese Kosten im Bereich Pflege einspare.
Monika Riedel, Studienautorin, ging auf die konkreten Inhalte der Studie ein. Die Auswahl beruhte auf drei Kriterien: die Pflegeausgaben, die Altersstruktur der Bevölkerung und dem Finanzierungsmodell für Pflege. Drei Modelle zur Mittelaufbringung waren im Wesentlichen ableitbar, die Steuerfinanzierung (Dänemark, Schweden, Spanien), die Finanzierung primär durch Sozialversicherungsbeiträge (Deutschland) und die Finanzierung durch einen Mix aus Steuer- und Sozialversicherungsmitteln (Frankreich, Niederlande). Wobei jedenfalls zweckgebundene Steuern für die Pflegefinanzierung eher unüblich seien.
Sie beschrieb den Status quo in Österreich (Finanzierung durch Steuermittel ohne Zweckbindung und ohne Sozialversicherung beim kontinentalen Wohlfahrtsstaatmodell) und verwies darauf, dass rechtlich verankert werden müsse, welche konkreten Leistungen in die Zuständigkeit der Sozialversicherung übertragen werden, wenn Finanzierung der Pflege unter Einbezug der Sozialversicherung erfolgen soll.
Ein Anknüpfen an europäische Vorbilder (Frankreich und Niederlande) wo auch andere Einkommensarten als ausschließlich das Arbeitseinkommen an SV-Beiträge anknüpfen und damit die Arbeitsmarkteffekte puffern wäre finanzwissenschaftlich nötig. Ebenso müsste die Kompetenz für die Mittelaufbringung und die Leistungserbringung aufeinander abgestimmt werden – und zwar auf Länderebene. Die Leistungserbringung sollte nach österreichweit einheitlichen Zielsetzungen erfolgen. Es brauche einen Finanzausgleich, der die demografische Struktur, die sozioökonomischen Merkmale und die Morbidität berücksichtige.
Hinsichtlich Prävention bei Schwerpunkt Demenz sollten für Österreich in Zukunft mehr Initiativen gesetzt werden. Denn jene Lebensstilfaktoren, die allgemein als gesundheitsförderlich angesehen werden, würden auch unter Demenzprävention fallen und seien daher zu unterstützen.
Community Nurses als niederschwelligen Zugang für Bürger zum Pflegebereich seien ein wichtiger Aspekt der Zukunft der Pflege in Österreich. Die Etablierung der Community Nurse wäre notwendig als direkte Anlaufstelle für pflegebedürftige Personen und ihre Angehörigen. Ebenso wäre der Ausbau des präventiven Hausbesuches für die umfassende Bewusstseinsbildung und Aufklärung der Bevölkerung hinsichtlich Pflegeprävention notwendig.
Herwig Ostermann, Gesundheit Österreich, präsentierte die Studie zur Pflegepersonal-Bedarfsprognose für Österreich. Primär wurde, so Ostermann, einerseits der Status quo und andererseits der Bedarf für die Zukunft betrachtet. Erfasst wurden in der Studie Zahlen zum Pflegepersonal in Akutkrankenhäusern, in Reha-Einrichtungen und die stationäre, teilstationäre sowie die mobile Langzeitpflege. Nicht enthalten seien Personal in Arztpraxen, Primärversorgungseinrichtungen, freiberufliche Pflegepersonen (DGKP) und private Pflegeheime sowie Pflegepersonen welche nicht direkt in der Pflege tätig sind (Lehre und Forschung, Schulen und Gemeinden, Unternehmen, Versicherungen, Interessensvertretungen, Sachverständige und in Sozialversicherungen tätige). Derzeit wären gesamt 126.900 Pflege- und Betreuungspersonen in Österreich erfasst (Zahlen 2017, umgerechnet wären dies 100.600 Vollzeitäquivalente). Fast die Hälfte seien diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegepersonen. Aufgrund der demografischen Entwicklung sei zu erwarten, dass die Anzahl der hochbetagten Personen der Bevölkerung sich bis 2030 annähernd verdoppeln werde und somit auch der Bedarf an Pflege. Die Altersverteilung innerhalb der Pflege- und Betreuungspersonen sei derzeit so, dass mit 2030 rund 32% des jetzigen Personals in Pension gehen werde. Ostermann stellte dazu die Prognose des Alternativszenarios Ausbau mobiler Dienste vor und verwies auf einen Zusatzbedarf an 34.200 Personen gesamt, wobei der Ersatzbedarf aufgrund der Pensionierungen von 41.500 noch additiv gerechnet werden müsse.
Bis 2030 ist daher ein Bedarf an „neuem“ Personal von 75.700 Personen gesamt zu prognostizieren. Zur Deckung des Bedarfs seien mit jährlich zwischen 3.900 und 6.700 Personen zu rechnen. Laut Ostermann hätten wir in Österreich daher, theoretisch betrachtet, ausreichend Absolventinnen um den Bedarf an Pflegepersonal bis 2030 zu decken. Zur Deckung von kurzfristigem Mehrbedarf könne auch die sehr kurze Heimhilfeausbildung, welche lt. Ostermann 6 Wochen dauere, gerechnet werden (Anmerkung der Redaktion: Die Ausbildung zur Heimhilfe umfasst gesamt 400 Stunden).
Links zu den Studien: