AT: Personalbedarf im Pflegebereich; HLA für Sozialbetreuung und Pflege – erstmals Pflegeausbildung mit Matura

15. Januar 2020 | News Österreich | 0 Kommentare

Die Sicherstellung einer menschenwürdigen und hochwertigen Pflege nach dem Stand der Pflegewissenschaft und Medizin sowie die Unterstützung von pflegebedürftigen Menschen und deren Angehörigen müssen in Österreich höchste Priorität haben. Nach der Bevölkerungsprognose wird der Anteil der über 80-Jährigen bis zum Jahr 2030 von derzeit 5 % auf 6,8 % angestiegen sein. Bedingt durch diese Verschiebung der Altersstruktur in der Bevölkerung sagen sämtliche Studien und Prognosen für die nächsten Jahre einen steigenden Bedarf an Pflegepersonen voraus.

Damit steigt auch die Nachfrage an gut ausgebildeten Pflege- und Gesundheitsfachkräften sowie an Fachkräften in den Sozialbetreuungsberufen.

Laut Berechnungen der Gesundheit Österreich GmbH wird bis zum Jahr 2030 in Österreich, basierend auf Erhebungen (Erhebungszeitraum 2017),

  • unter Berücksichtigung der demografischen Entwicklung,
  • der altersmäßigen Verteilung der Inanspruchnahme von Pflege und Betreuung in

    Krankenhäusern und im Bereich der Langzeitpflege sowie

  • einem Ausbau der Pflege und Betreuung zu Hause durch mobile Dienste

 

von einem zusätzlichen Bedarf von insgesamt 34.200 Personen ausgegangen. Da rund ein Drittel der derzeit beschäftigten Pflege- und Betreuungspersonen älter als 50 Jahre alt sind und im Jahr 2030 nicht mehr im Erwerbsleben stehen, ist damit zu rechnen, dass weitere 41.500 Personen in den Berufssektor einsteigen müssen, um den Bedarf decken zu können. Dies entspricht für Pflegefachkräfte (DGKP, PFA und PA) daher einem jährlichen Bedarf von 3.900 bis 6.700 zusätzlichen Personen (in Abhängigkeit von der demographischen Entwicklung).

Dem gegenüber stehen rund 4.800 Absolventinnen und Absolventen im Jahr 2016 von FH, GuKG-Schulen und PA-Lehrgängen sowie 955 Absolventinnen und Absolventen von SOB Schulen. Über das Arbeitsmarktservice werden darüber hinaus rund 10.000 Personen jährlich bei der Auf- bzw. Umschulung in Pflege- und Betreuungsberufe unterstützt. Gesundheits- und Pflegeberufe sind seit Jahren AMS-Qualifizierungsschwerpunkt, weil der Personalbedarf steigt und sich hier nachhaltige Beschäftigungschancen bieten. Das AMS fördert vom Heimhilfekurs bis zur Ausbildung zur Pflegefachassistenz.

Der Bedarf an unterschiedlich qualifizierten Fachkräften besteht jedoch darüber hinaus weiterhin; überdies gibt es im Bildungssystem derzeit eine Lücke im Sekundarbereich und Übergang zum Hochschulbereich – nämlich keine Ausbildung im Bereich Sozialbetreuung und Pflege, die an das Regelschulwesen anschließt und mit Matura abschließt.

In der Gesundheits- und Krankenpflege fand 2016 eine Novelle des Gesundheits- und Krankenpflegegesetzes statt, die neben der bisher einjährigen Pflegehilfeausbildung (nunmehr Pflegeassistenz) auch eine zweijährige Ausbildungsform – Pflegefachassistenz – geschaffen hat. Die bisherige dreijährige Ausbildung zum Diplom in der allgemeinen Gesundheits- und Krankenpflege läuft Ende 2023 aus und wird ausschließlich an Fachhochschulen als Bachelor-Studienprogramm geführt.

Des Weiteren ist das Ausbildungssystem der Gesundheits- und Krankenpflege im Sekundarbereich nicht mit dem Schulsystem „synchronisiert“, womit durch die Vorgabe, dass die praktische Ausbildung am Krankenbett erst mit Vollendung des 17. Lebensjahres begonnen werden darf, keine vertikale Durchlässigkeit im Schulsystem gegeben ist.

Im Sinne einer altersgerechten Weiterentwicklung unserer Gesellschaft und Sicherung des künftigen Pflegefachkräftepersonals ist hier dringend Handlungsbedarf gegeben: Es gilt, dahingehende Ausbildungsmöglichkeiten – vor allem im schulischen Bereich – proaktiv zu konzipieren und möglichst schnell umzusetzen.

Diese Lücke soll mit dem vorliegenden Schulversuch der 5-jährigen Höheren Lehranstalt für Sozialbetreuung und Pflege geschlossen werden, der – abgestimmt mit dem Bundesministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz – nun am 15. Jänner 2020 österreichweit ausgeschrieben und ab dem Schuljahr 2020 an verschiedenen Standorten starten soll.

Die HLA für Sozialbetreuung und Pflege verfolgt mehrere Ziele:

  • Es werden Weichen gestellt, Gesundheits- und Krankenpflegeausbildungsangebote auch im Rahmen des berufsbildenden Schulwesens bereit zu stellen.
  • Mit der Pflegausbildung mit Matura wird die Lücke zwischen der 8. Schulstufe und dem Hochschulzugang geschlossen, womit zum einen ein direkter „gehobener“ Berufseinstieg möglich ist und zum anderen die Zugangsvoraussetzungen für ein einschlägiges Hochschulstudium vorliegen.
  • Neben der Hochschulreife (= RDP) werden zwei unterschiedliche Schwerpunkte ab dem dritten Jahrgang vermittelt:
    • –  die Kombination Alten-, Familien- oder Behindertenarbeit in Kombination mit Pflegeassistenz (= Erweiterung der derzeitigen Schule für Sozialbetreuungsberufe)
    • –  die „reine“, aber höhere Qualifikation „Pflegefachassistenz“
  • Damit wird das Schulwesen um eine attraktive höhere Ausbildungseinrichtung zur Bewältigung des Fachkräftemangels im Pflegebereich erweitert und im Pflegebereich interessierte junge Menschen qualifiziert ausgebildet.

Die Kosten für die allgemeinbildenden Unterrichtsfächer werden vom Bund getragen, die Kosten für die facheinschlägige Ausbildung in der Pflegeassistenz/Pflegefachassistenz von den Ländern übernommen. Die den Bund betreffenden Kosten sind aus dem laufenden Budget des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Forschung zu decken. Grundlage dafür bietet eine entsprechende Vereinbarung des Privatschulerhalters und dem jeweiligen Träger der Gesundheits- und Krankenpflegeausbildung, die Bedingung für die Genehmigung des Schulversuchs ist. Beginn der ersten Ausbildungsgänge ist das Schuljahr 2020/21. Im Jahr 2025 werden die ersten Schülerinnen und Schüler die neue Ausbildung absolvieren.

Mit der Etablierung dieses Schulversuchs übernehmen wir Verantwortung gegenüber unserer Gesellschaft und liefern einen weiteren zukunftsorientierten und nachhaltigen Beitrag, um dem Fachkräftemangel im Pflegebereich entgegenzuwirken.

Wir stellen daher den Antrag, die Bundesregierung wolle diesen Bericht zur Kenntnis nehmen.

Univ.-Prof. Dr. Heinz Faßmann                         Rudolf Anschober
Bundesminister                                                      Bundesminister

Autor:in

  • Markus Golla

    Studiengangsleiter "GuK" IMC FH Krems, Institutsleiter Institut "Pflegewissenschaft", Diplomierter Gesundheits- und Krankenpfleger, Pflegewissenschaft BScN (Umit/Wien), Pflegewissenschaft MScN (Umit/Hall)