AT: ÖGB: ÖGK-Huss: Long-Covid-PatientInnen mit gesicherten Behandlungspfaden versorgen und existenziell absichern!

4. Februar 2022 | Covid19, News Österreich | 0 Kommentare

Long Covid fordert nahezu alle sozialen Sicherungssysteme und deren Zusammenarbeit

Die medizinischen und sozialen Langzeitfolgen einer Long-Covid-Erkrankung sind derzeit noch gar nicht wirklich abschätzbar. Bisher gibt es bei der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) ca. 15.000 dokumentierte Krankenstände aufgrund von Long Covid. Da fehlen aber noch betroffene PensionistInnen und Kinder bzw. Jugendliche. Die lückenlose Datenerfassung ist derzeit noch eine große Baustelle, weil wohl noch nicht alle Long-Covid-Erkrankten als solche erfasst werden. Das liegt vor allem daran, dass wir immer noch keine verpflichtende und standardisierte Diagnosecodierung (ICD-10 oder ICPC-2) für den niedergelassenen Bereich haben. Die durchschnittliche Dauer der Long-Covid-Krankenstände beträgt ca.13 Tage, 80 Erkrankte sind bereits über 6 Monate im Krankenstand, die längsten Krankenstände dauern bereits über ein Jahr. Darüber hinaus waren bereits rund 3.000 Erkrankte in Rehabilitation und leiden teilweise noch immer an den Folgen der Erkrankung.

ÖGK-ArbeitnehmerInnen-Obmann Andreas Huss: „Bei Long Covid kommen viele verschiedene Symptome vor, die uns von anderen Krankheitsbildern bekannt sind, die aber jetzt durch die Pandemie gehäuft und zusammen auftreten. In der Versorgung muss diesem Umstand Rechnung getragen werden, indem integrierte Versorgungsmodelle mit multiprofessionellen Teams eingerichtet werden, an die HausärztInnen und KassenfachärztInnen verweisen können.“

Neben Folgeerkrankungen der Lunge, Schmerzen, kognitiven Einschränkungen, aber auch dem Fatigue-Syndrom gibt es bei Long Covid verschiedenste Symptome. Gerade letzteres kann ohne richtige und rechtzeitige Behandlung chronifizieren und zum schon lange (aber zu wenig) bekannten chronischen Fatigue-Syndrom (ME/CFS) führen, das Menschen für sehr lange Zeit oder auf Dauer aus dem Arbeitsleben werfen kann. Aber auch psychische Belastungen, die durch Long Covid auftreten, können zu psychischen Erkrankungen führen. Daher ist es dringend nötig, Behandlungsleitlinien und Behandlungspfade festzulegen, die die Menschen rechtzeitig zur richtigen Behandlung bringen, um eine Chronifizierung der Erkrankung(en) zu vermeiden.

Auch die weitere Sensibilisierung und Fortbildung in der Ärzteschaft muss vorangetrieben werden. Andreas Huss: „Auf Basis der ÖGAM-Leitlinie und des aktuellen Wissensstandes hat die ÖGK ein E-Learning-Tool entwickelt, das demnächst über die Akademie der Ärztekammer mit Fortbildungspunkten angeboten werden soll. Damit können sich alle ÄrztInnen auf den aktuellen Stand bringen.“

Werden die Long-Covid-PatientInnen nicht rechtzeitig optimal behandelt, fallen sie möglicherweise für lange Zeit oder sogar auf Dauer aus dem Arbeitsleben. Das führt bei den Betroffenen zu weiteren Folgeerkrankungen und zu existenziellen Problemen, aber auch für unseren Sozialstaat zu großen volkswirtschaftlichen Herausforderungen am Arbeitsmarkt und in der Versorgung dieser Menschen.

Andreas Huss: „Die richtige Versorgung muss für alle Menschen zur Verfügung gestellt werden. Daher ist es höchst an der Zeit, die bestehenden Leitlinien noch besser zu vermitteln und funktionierende Behandlungspfade einzurichten. Das gemeinsame Ziel muss es sein, Chronifizierungen der Erkrankungen unter allen Umständen zu vermeiden.“

Die Behandlungspfade sollen ausgehend von den HausärztInnen über KassenfachärztInnen (Lungenärzte, Internisten, Neurologen, Psychiater) laufen, die bei komplizierteren Long-Covid-Fällen an multidisziplinäre Zentren verweisen können. Es braucht also kompetente Anlaufstellen, angepasste und ausreichende Therapieangebote, ein abgestimmtes Rehabilitationsangebot (stationär und ambulant) mit einer engmaschigen Nachsorge, die alle Erkrankungsformen von Long Covid abdeckt. Darin könnte auch ein erster Aufgabenbereich der neu zu etablierenden Community Nurses liegen. Zur Erstabklärung könnten auch die mittlerweile sehr erfahrenen Rehaeinrichtungen herangezogen werden.

Die verstärkte Nutzung der technischen Möglichkeiten etwa im ELGA-System sollte weiterentwickelt werden. So könnten über ELGA PatientInnendaten gut erfasst werden. In einem Long-Covid-Register sollten alle Long-Covid-PatientInnen erfasst werden, der Therapieverlauf überprüft werden und die Daten der Forschung zur Verfügung gestellt werden. Das neu von der ÖGK etablierte System Visit-e kann zur laufenden Betreuung und Nachsorge der PatientInnen perfekt genutzt werden.

Viele Menschen infizieren sich am Arbeitsplatz mit Covid 19. Daher ist die Anerkennung der Erkrankung und der Folgeerkrankungen als Berufskrankheiten und/oder als Arbeitsunfall ein zentrales Anliegen. Dies darf nicht nur für Gesundheitsberufe gelten, sondern muss auf alle beruflichen Tätigkeiten angewendet werden.

Aber auch für chronisch kranke Menschen wie etwa ME/CFS-Erkrankte brauchen wir ein gutes Behandlungsnetz und eine existenzielle Absicherung. So fallen Betroffene zwischen den Versorgungssystemen der Krankenversicherung, der Pensionsversicherung und dem Arbeitsmarkservice (AMS) durch und landen allzu oft in der Mindestsicherung. Es muss selbstverständlich sein, dass chronisch kranke und nicht arbeitsfähige Menschen nicht nur Behandlung, sondern auch die erforderlichen Heilbehelfe und Hilfsmittel und eine existenzsichernde finanzielle Absicherung erhalten.

Andreas Huss: „Investieren wir in die Gesundheit. Jetzt!“

Autor:in

  • Markus Golla

    Studiengangsleiter "GuK" IMC FH Krems, Institutsleiter Institut "Pflegewissenschaft", Diplomierter Gesundheits- und Krankenpfleger, Pflegewissenschaft BScN (Umit/Wien), Pflegewissenschaft MScN (Umit/Hall)