Brunn am Gebirge, 7. Juni 2019 – Gicht ist eine der häufigsten rheumatischen Erkrankungen. Ärztinnen und Ärzte in Ordinationen und Ambulanzen sind immer häufiger mit dieser (vermeintlichen) „Wohlstandserkrankung“ konfrontiert. Doch vor allem die längerfristige harnsäuresenkende Behandlung kann eine Herausforderung darstellen, denn Gicht wird häufig immer noch als reine Anfallskrankheit gesehen und bestehende nationale sowie internationale Therapie-Guidelines geben zum Teil keine einheitlichen Empfehlungen. Sie sind somit als Richtlinien für den Praxisalltag nur eingeschränkt nutzbar. Um das therapeutische Management zu unterstützen, wurden nun von einer Gruppe österreichischer Expertinnen und Experten1 Empfehlungen für die Behandlungspraxis der akuten und chronischen Gicht entwickelt. Kostenlos erhältlich als Praxisempfehlungen-Nachlese und zusammengefasst als Praxisleitfaden und zusammengefasst als Pocketcard.
Gicht ist mit einer Prävalenz von 1-2 Prozent die häufigste entzündliche Gelenkserkrankung bei Erwachsenen – vorwiegend Männer sind betroffen.2 Mit zunehmendem Alter steigt die Wahrscheinlichkeit, an dieser Stoffwechselstörung zu erkranken.3 „Zur Behandlung von akuter und chronischer Gicht gibt es nationale und internationale Empfehlungen und Leitlinien. Diese können allerdings nur eingeschränkt das Management der Gicht in der Praxis unterstützen. Daher sind leicht handhabbare empfohlene Vorgangsweisen zum Management der Gicht wesentlich“, sagt Priv.-Doz. Dr. Burkhard Leeb, Leiter des Instituts für Klinische Rheumatologie der Karl Landsteiner Gesellschaft in Hollabrunn. In den bis dato verfügbaren Guidelines fehlt es an einheitlichen Antworten auf zentrale Fragen wie Patientenauswahl, Behandlungsbeginn, Medikamentenoptionen oder Therapiedauer. Zudem sind sie nicht immer auf dem aktuellen Stand. Eine Gruppe österreichischer Expertinnen und Experten entwickelte daher nun Empfehlungen, die eine praxisorientierte und handliche Grundlage zur Vorgehensweise im Patientenmanagement der akuten und chronischen Gicht darstellen.
Insbesondere für Fachärztinnen und Fachärzte für Allgemeinmedizin können diese neuen Empfehlungen eine gute Orientierung sein, denn etwa 90 Prozent der Gichtpatienten werden von der Hausärztin/vom Hausarzt versorgt bzw. nach der medikamentösen Einstellung durch die Rheumatologin/den Rheumatologen weiterbetreut.4 „Gicht wird in der Regel von Allgemeinmedizinern behandelt. In speziellen Fällen – bei jüngeren Patienten, eingeschränkter Nieren- oder Leberfunktion, beim Vorliegen kardiovaskulärer Erkrankungen, bei therapierefraktärer oder polyartikulärer Gicht oder Überempfindlichkeit gegen die Medikation – sollte eine Abklärung beim Rheumatologen erfolgen“, erklärt der Welser Internist Dr. Rudolf Puchner.
Hyperurikämie: Neue Sicht auf die Gicht
Häufig wird Gicht für eine Anfallskrankheit gehalten und nur die akute Attacke behandelt. Das Hauptproblem ist jedoch die Hyperurikämie, denn ein zu hoher Serum-Harnsäure-Spiegel bedingt neuerliche Gichtanfälle und geht mit einem erhöhten Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse einher.5 Bei chronischer Gicht zielt die Therapie daher darauf ab, die Harnsäure im Serum nachhaltig zu senken (der Zielwert liegt bei 6 mg/dl bzw. <5 mg/dl bei Tophi). Das kann man durch eine Ernährungsumstellung allein nicht schaffen, denn genetische Faktoren und eine verminderte renale Harnsäure-Ausscheidung haben einen weitaus höheren Einfluss als purinarme Ernährung. „Die Möglichkeiten, durch Diät, Lebensstiländerungen und Körpergewichtskontrolle die Harnsäurewerte zu beeinflussen, sind begrenzt. Das Potenzial der Senkung der Harnsäure durch Ernährung liegt bei etwa 18 Prozent“, stellt OÄ Dr. Judith Sautner von der 2. Medizinischen Abteilung, Landesklinikum Weinviertel, Stockerau, NÖ Zentrum für Rheumatologie und Leiterin des Arbeitskreises für Osteoarthritis und Kristallarthropathien der Österreichischen Gesellschaft für Rheumatologie und Rehabilitation (ÖGR) klar.
Es braucht somit zusätzlich auch eine medikamentöse Behandlung, die auf zwei Ebenen ansetzt: die Überproduktion der Harnsäure reduzieren und die Ausscheidung über die Niere fördern. Seit Februar 2018 steht mit dem URAT1-Inhibitor Lesinurad (Zurampic®) ein innovatives Urikosorikum für die Kombination mit dem Xanthin-Oxidase-Inhibitor (XOI) Allopurinol zur Verfügung. Die Wirkung von Lesinurad beruht auf der Hemmung der Reabsorption der Harnsäure in der Niere und fördert somit ihre Ausscheidung. Allopurinol wirkt der Harnsäure-Überproduktion entgegen. Studien haben gezeigt, dass mit dieser Kombinationstherapie doppelt so viele Patienten mit unzureichend kontrollierter Gicht ihr Behandlungsziel erreichen als mit der XOI-Monotherapie.6
Literatur:
1 Expertengruppe in alphabethischer Reihenfolge: Univ.-Prof. Dr. Günter Christ, Dr. Gabriela Eichbauer-Sturm, Prim. Univ.-Prof, Dr. Peter Fasching, Univ.-Doz. Dr. Johann Gruber, OA Dr. Gregor Holak, Priv.-Doz. Dr. Burkhard Leeb, OA Dr. Raimund Lunzer, Dr. Rudolf Puchner, OÄ Dr. Judith Sautner
2 Smith EU et al: Epidemiology of gout: an update. Best Practice & Research Clinical Rheumatology 2010; 24(6): 811-27
3 Mikuls TR et al: Gout epidemiology. Ann Rheum Dis 2005; 64: 267-272; Roddy E et al: Epidemiology of gout. Arthritis Research & Therapy 2010; 12(6): 223
4 Luk AJ et al: Epidemiology of Hyperuricemia and Gout. American Journal fo Managed Care. 2005 Nov; 11(15 Suppl): S 435-42; quiz S 465-8
5 Perez-Ruiz F. et al., Ann Rheum Dis 2014;73(1):177-182. doi:10.1136/annrheumdis-2012-202421
6 Zurampic® (Lesinurad) FI, Stand Mai 2017, Grünenthal Ges.m.b.H. (gepoolte Daten der Studien CLEAR 1 und CLEAR 2)