ktuelle deutsche Studie zeigt: THC-Cannabisarzneimittel wie Dronabinol sind eine effektive, risikoarme Therapieoption bei Palliativpatienten und älteren Menschen mit chronischen Schmerzen. Doch diese Therapien werden gerade für geriatrische nichtpalliative Patienten nur sehr restriktiv bewilligt.
Wien, 13. Februar 2020 – Ältere Menschen sind sehr häufig von starken chronischen Schmerzen betroffen. Eine aktuelle Studie zeigt, dass THC-Cannabisarzneimittel wie Dronabinol die Lebensqualität von älteren Schmerz- und/oder Palliativpatienten wesentlich verbessern können. Deutsche Forscher haben bei 93 geriatrischen Schmerzpatienten (54,8 Prozent nichtpalliativ, Gruppe A; 45,2 Prozent Palliativpatienten, Gruppe B) ab dem 80. Lebensjahr Dosierung, Schmerzstärke, Therapieeffekte und Nebenwirkungen einer Dronabinoltherapie analysiert. Dabei wurde sowohl bei geriatrischen, nichtpalliativen Schmerzpatienten (N=51, Gruppe A) als auch bei geriatrischen Palliativpatienten (N=42, Gruppe B) eine zusätzliche Schmerzlinderung durch das Cannabisarzneimittel nachgewiesen. Mit Dronabinol erreichten 52,5 Prozent der geriatrischen Patienten der Gruppe A eine Schmerzlinderung von mehr als 30 Prozent, bei zehn Prozent der Patienten betrug diese sogar über 50 Prozent. Im Untersuchungszeitraum nutzten die 51 geriatrischen Schmerzpatienten Dronabinol über durchschnittlich 188,5 Tage, die mittlere Tagesdosis betrug 6 Tropfen (4,2 mg THC, Range 1,4–23 mg THC pro Tag). Im Durchschnitt wurden vier Symptome oder unangenehme Nebenwirkungen der Vortherapie positiv beeinflusst. 26 Prozent der Patienten gaben Nebenwirkungen an. Die Ablehnungsquote seitens der Krankenversicherungen betrug 39 Prozent bei geriatrischen nicht-palliativen Schmerzpatienten und 10 Prozent bei geriatrischen Palliativpatienten. „Die aktuelle Studie liefert den Nachweis, dass Dronabinol eine effektive, risikoarme Therapieoption für geriatrische Schmerzpatienten und geriatrische Palliativpatienten darstellt und frühzeitig erwogen werden sollte“, unterstreicht ÖSG-Vorstandsmitglied Univ.-Prof. DDr. Hans Georg Kress, Vorstand der Abteilung für Spezielle Anästhesie und Schmerzmedizin, Medizinische Universität/AKH Wien, anlässlich der 19. Schmerzwochen der Österreichischen Schmerzgesellschaft (ÖSG).
Geriatrie und Palliativversorgung als wichtige Einsatzgebiete
Noch gibt es wenige Studien, die Dronabinol in Palliativmedizin und Geriatrie erforscht haben. Doch genau diese Bereiche sind besonders für den Einsatz des Wirkstoffs geeignet. Das Arzneimittel kann wichtige Parameter positiv beeinflussen, zum Beispiel Lebensqualität, Patientenzufriedenheit, körperliche Funktion, psychischer Gesamtzustand, Schmerz, Symptomkontrolle, soziale Funktion oder Therapietreue. Darüber hinaus wird Dronabinol in der Palliativbehandlung verwendet, wenn Patienten an therapierefraktärer Übelkeit, Appetitlosigkeit oder krankheitsbedingtem Gewichtsverlust leiden. Nicht nur im palliativen Setting entfaltet die analgetische, stimmungsaufhellende, schlaffördernde oder angstlösende Wirkung des Arzneimittels zusätzlichen Nutzen. In der Geriatrie ist die Behandlung von Verhaltensauffälligkeiten und psychischen Symptomen der Demenz ein weiteres mögliches Anwendungsgebiet von Dronabinol.
Was ist Dronabinol?
Dronabinol ist der internationale Freiname für den Wirkstoff Delta-9-Tetrahydrocannabinol (THC). Das psychoaktive Cannabinoid wird üblicherweise gegen Übelkeit, Erbrechen und Appetitlosigkeit eingesetzt, etwa bei Menschen, die an Krebs oder HIV/AIDS erkrankt sind. Auch bei schmerzhafter Spastik infolge Multipler Sklerose, Querschnittsyndrom oder anderen schmerzhaften spastischen Zuständen wirkt sich das Mittel positiv aus. Bei chronischen Schmerzen kann Dronabinol als Zusatztherapie eingesetzt werden. Besonders bei sehr unangenehmen neuropathischen Beschwerden, bei denen das Nervensystem selbst die Schmerzen verursacht, erweist sich Dronabinol oft als die bessere Wahl und als Zusatztherapie den alleine verabreichten konventionellen Schmerzmitteln überlegen. Zur Schmerzlinderung kann das Mittel seit 2004 verschrieben werden. „Eine Dronabinol-Therapie für geriatrische nichtpalliative Patienten wird in Österreich noch häufiger als in Deutschland von den Kassen nur sehr restriktiv bewilligt. Das sollte im Lichte der neuen Forschungsergebnisse überdacht und geändert werden“, fordert Prof. Kress.
Quellen:
Wendelmuth C, Wirz S, Torontali M, Gastmeier A, Gastmeier K: Dronabinol bei geriatrischen Schmerz- und Palliativpatienten. Eine retrospektive Auswertung der ambulanten kassenärztlichen Therapie. Schmerz 2019 Oct;33(5):384-391. doi: 10.1007/s00482-019-00408-1.