Logopädische Rehabilitation für Menschen mit Hörimplantat ist nun durch einen einfachen Zugang auf Kassenkosten möglich: Der österreichische Hörimplantate-Hersteller MED-EL eröffnet das ZENTRUM HÖREN mit zwei Logopädinnen und GKK-Vertrag. Im Rahmen der Publikumsveranstaltung „Das Fest für die Ohren“, präsentiert MED-EL sein neues Zentrum und stellt das Thema Hören in den Fokus.
Wien, 3. Mai 2017 – Von 1.000 Neugeborenen kommen in Österreich ein bis zwei gehörlos zur Welt und rund 50 Prozent aller älteren Personen hören schlecht oder gar nichts mehr. Insgesamt sind in Österreich 15 bis 20 Prozent der Bevölkerung von einer Form der Hörbeeinträchtigung betroffen.
Je nach Schweregrad und Form des Hörverlustes sind Hörimplantate eine Lösung, wenn Hörgeräte nicht mehr helfen oder unverträglich sind. Bei leichtem bis schwerem Hörverlust führen Knochenleitungs- oder Mittelohrimplantate zu guten Hörergebnissen. Bei schwerem bis hochgradigem Hörverlust bietet ein Cochleaimplantat (CI) die optimale Versorgung.
Über MED-EL
MED-EL Medical Electronics mit Hauptsitz in Innsbruck und 29 Niederlassungen weltweit ist ein führender Anbieter von Hörimplantat-Systemen. Die österreichischen Wissenschaftler und Gründer des Unternehmens, DI Dr. Ingeborg und Prof. Dr. Erwin Hochmair entwickelten 1977 das erste mikroelektronische Mehrkanal-Cochleaimplantat und legten 1990 mit der Einstellung ihrer ersten Mitarbeiter den Grundstein der Unternehmensgeschichte. Aktuell beschäftigt das Unternehmen mehr als 1.700 Angestellte.
Das Cochleaimplantat war und ist bis heute der erste tatsächlich realisierte Ersatz eines Sinnesorgans. Im Bereich implantierbarer Lösungen zur Behandlung unterschiedlicher Arten von Hörverlust bietet MED-EL mit dem Cochleaimplantat-, dem Mittelohrimplantat-, dem EAS (kombinierte Elektrisch Akustische Stimulation) System, dem Hirnstammimplantat (ABI) sowie dem ersten aktiven Knochenleitungsimplantat weltweit die breiteste Produktpalette. Menschen in über 100 Ländern können heute mithilfe eines Produkts von MED-EL hören. Weitere Informationen finden Sie unter www.medel.com
Doch nach der Implantation eines CIs ist Hörtraining notwendig, um das Gehirn an die neue Art des Hörens zu gewöhnen bzw. um Eltern implantierter Babys beim Spracherwerb ihrer Kinder zu unterstützen. Bislang war der Zugang zu Rehabilitation nach einer Cochleaimplantation beschwerlich und die Therapieplätze knapp.
„Das neue Angebot im ZENTRUM HÖREN ist ein Meilenstein in der Versorgung gehörloser und hochgradig hörbeeinträchtigter Menschen mit Hörimplantat“, sagt Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Gstöttner, Vorstand der Universitätsklinik für Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten der Medizinischen Universität Wien. Er gab den Impuls für das Zentrum: „Was bisher gefehlt hat, war eine Servicestelle für alle Patienten mit Hörimplantat, eine Art One-Stop-Shop, in dem kassenfinanzierte Logopädie, Service und Beratung unter einem Dach zu finden sind. Das ist uns mit dem ZENTRUM HÖREN beim Palais Liechtenstein in der Nähe des AKHs gelungen.“
Langjährige Kooperation
Die MedUniWien und die Gründer MED-ELs, DI Dr. Ingeborg und Prof. Dr. Erwin Hochmair, arbeiten seit den 1970er-Jahren eng zusammen. 1977 wurde das von den beiden Forschern entwickelte weltweit erste mikroelektronische Mehrkanal-Cochleaimplantat von Prof. Kurt Burian am Wiener AKH eingesetzt. 1990 stellte MED-EL seine ersten Mitarbeiter ein. „Innovation und Forschung direkt für Menschen mit Hörverlust anwendbar zu machen ist seit jeher unser innerer Antrieb“, sagt Dr. Ingeborg Hochmair, CEO von MED-EL: „In unseren Labors in Österreich wurde nicht nur das erste mikroelektronische Mehrkanal-Cochleaimplantat erfunden, sondern hier wurde auch der weltweit erste HdO-Prozessor entwickelt (Anm.: Hinter dem Ohr), ebenso die weltweit erste flexible Elektrode, die schonend in die gesamte Hörschnecke, die Cochlea, eingeführt werden kann.“
Seit den Anfängen hat MED-EL seine Produkte stetig verbessert. Heute ist Sprache im Störlärm mit CI ebenso verständlich wie am Telefon. Gehörlose Menschen können mit CI (wieder) hören, hochgradig schwerhörig geborene Kinder haben die Möglichkeit, eine Regelschule zu besuchen und einen Beruf gemäß ihrem Potenzial zu ergreifen.
Rehabilitation entscheidet mit über Hörerfolg
Voraussetzung dafür ist in den meisten Fällen solide Rehabilitation: Hörtraining, das implantierten Personen hilft, Sprache und Geräusche mit CI richtig zu interpretieren. Eine Studie aus dem Jahr 2015 belegt die Wichtigkeit von Rehabilitation nach Cochleaimplantation: Demnach bringt eine drei- bis fünfwöchige strukturierte Therapie eine Steigerung des Sprachverständnisses um durchschnittlich 20 Prozent (Quelle: R. Zeh, U. Baumann (2015): Stationäre Rehabilitationsmaßnahmen bei erwachsenen CI-Trägern – Ergebnisse in Abhängigkeit von der Dauer der Taubheit, Nutzungsdauer und Alter. HNO. 2015 Aug;63(8):557-76).
„Logopädische Rehabilitation ist nach der Cochleaimplantation in den meisten Fällen unbedingt notwendig. Das gilt für Erwachsene wie für Kinder“, sagt die Logopädin Brigitte Egelierler. Dabei geht Logopädie weit über Laut- und Artikulationsübungen hinaus: Bei der Betreuung implantierter Kinder ist es entscheidend, die gesamte Familie einzubeziehen, das Umfeld zu kennen und das Kind individuell zu begleiten – meist die ganze Schulzeit lang. Auch später im Leben ertaubte Erwachsene brauchen Training, da sich das Gehirn an das Hören mit Cochleaimplantat gewöhnen muss.
Petra Trieb: „Nicht hören können ist unvorstellbar“
Die Steirerin Petra Trieb fiel 1998 im Alter von 13 Jahren durch eine Pneumokokken-Meningitis ins Koma und erwachte mit einem absoluten Hörverlust auf beiden Ohren. Ein Leben ohne Hörsinn war für sie undenkbar. „Es war eine große Krise für mich. Von einem gesunden Mädchen zu einem gehörlosen“, sagt die 32-jährige zweifache Mutter heute. Die Ärzte am Wiener AKH machten sie auf die Möglichkeit der Cochleaimplantation aufmerksam, die Trieb sofort ergriff. Durch die Implantate war es ihr möglich, eine Ausbildung zu machen und einen Beruf zu ergreifen. Heute lebt Petra Trieb wie jeder Hörende auch: telefoniert, hört Musik, geht ins Kino. Ihre Kinder hören gut, das ist ihr wichtig, denn: „Wer erst einmal das Gehör verloren hat, weiß, wie wichtig es im Leben ist.“
Implantation: Finanzierung nicht mehr gewährleistet
Jährlich werden in Österreich rund 500 Hörimplantate eingesetzt. „Der Bedarf an Implantaten liegt höher als die aktuelle Versorgung. Wir bräuchten für ganz Österreich etwa 600 Implantate pro Jahr“, sagt Wolfgang Gstöttner. Doch die finanzielle Situation ist brisant: „Wir im AKH haben jetzt schon ein Problem mit dem Controlling, denn im ersten Quartal dieses Jahres wurden bereits 33 Implantate eingesetzt, 100 dürfen wir insgesamt einsetzen. Wir haben ein Riesenproblem. Die Finanzierung ist nicht mehr gewährleistet.“
„Weltweit sehen wir eine ähnliche Situation“, sagt Ingeborg Hochmair: „Immer mehr Menschen leben mit Hörbeeinträchtigung bei immer knapper werdenden öffentlichen Budgets. Wir von MED-EL wissen, dass das Geld nicht auf der Straße liegt – dennoch muss uns als Gesellschaft ebenso bewusst sein, welche Rolle unser Gehör für alle Menschen einer Gemeinschaft spielt – vor allem für die Kinder, denn sie gestalten unsere Zukunft ganz entscheidend mit. Außerdem erwachsen einer Gesellschaft durch unbehandelten Hörverlust enorme Kosten.“
Factsheet MED-EL
Hörimplantate in Österreich
• Jährlich werden in Österreich rund 500 Hörimplantate eingesetzt (Cochleaimplantate, Mittelohrimplantate und Knochenleitungsimplantate )
• 30 Prozent der implantierten Personen sind Kinder, 70 Prozent Erwachsene
• Tendenz: Mehr Implantationen bei Erwachsenen aufgrund längerer Lebensdauer und steigendem Bewusstsein für die Wichtigkeit von Gesundheit und Wohlbefinden
Über MED-EL
• Erforschung und Entwicklung des mikroelektronischen Mehrkanal-Cochleaimplantats von DI Dr. Ingeborg und Prof. Dr. Hochmair seit den 1970er Jahren
• Bei MED-EL derzeit verfügbare Lösungen bei Hörverlust: Cochleaimplantat, Knochenleitungsimplantat BONEBRIDGE, Mittelohrimplantat VIBRANT SOUNDBRIDGE, Elektrisch Akustische Stimulation (EAS), Hirnstammimplantat, Knochenleitungssytem ADHEAR
• Einstellen der ersten Mitarbeiter bei MED-EL im Jahr 1990
• Heute weltweit über 1.800 Mitarbeiter
• In Österreich über 1.200 Mitarbeiter
• Niederlassungen in 31 Ländern weltweit
• MED-EL ist mit seinen Produkten in weltweit 115 Ländern und über 2.800 Kliniken vertreten
• In Österreich arbeiten derzeit 15 Kliniken mit Produkten von MED-EL. Implantierende Kliniken finden Sie auf www.medel.com unter dem Menüpunkt Klinik-Suche.