Sozio-ökonomisch werden drei wesentliche Kategorien analysiert:
– die gesundheitsbezogene Lebensqualität von Betroffenen und Angehörigen
– direkte Kosten
– indirekte Kosten
Die Erfassung dieser Kategorien dient zur Festlegung der sog. Kostentreiber, was macht eine Erkrankung teuer und wo kann man gesundheitspolitisch ansetzen. Hier bieten die chronischen Wunden eine Herausforderung, da sie als Komorbiditäten anderer Grunderkrankungen gesehen werden und nicht als eigenständiges Krankheitsbild. Dies führt zu einer Fragmentierung der Verantwortlichkeiten und zur fehlenden Anerkennung als gesundheitspolitische Priorität. Mangelnde Prioritätensetzung führt auf direktem Weg zu inadäquater Ressourcenplanung. Was sich so systemtheoretisch anhört, hat für die Betroffenen unmittelbare Bedeutung – durch unkoordinierte Präventionsmaßnahmen und uneinheitliche Therapiestandards wird die Heilung verzögert.
Die Bedeutung chronischer Wunden zeigt sich auch im Anteil an den Gesundheitskosten, den sie verursachen. Es gibt hierzu rezente englische Analysen, die zeigen, dass in industrialisierten Ländern 3% bis 5,5% des Gesundheitsbudgets für die Behandlung und das Management chronischer Wunden ausgegeben werden. 1,2,3 Auf Österreich umgerechnet wären das in etwa €1,2 bis 2,2 Mrd. (1,2,3,4)
Die Bedeutung für Betroffene und Angehörige wiegt noch schwerer: die gesundheitsbezogene Lebensqualität ist ein sog. Patient Reported Outcome (PRO), das bedeutet, dass der Betroffene selbst Auskunft gibt und diese ohne eine wie immer geartete Interpretation in die Evaluation Eingang findet. Chronische Wunden fügen Betroffenen, aber auch den Angehörigen massive emotionale und physische Traumata zu. 85% aller Amputationen gehen chronische Wunden voraus – weltweit findet alle 30 Sekunden eine Amputation aufgrund eines nicht heilenden diabetischen Ulkus statt.
Hinzu kommt – und das bezeichnet die dritte analysierte Kategorie – eine enorme Reduktion der Produktivität, d.h. massive Einbußen im Arbeitsleben Betroffener mit allen dazugehörigen ökonomischen und persönlichen Belastungen. Die Zusammenschau dieser Aspekte führte zur Bezeichnung der chronischen Wunden als “stille Epidemie”.
Ausblick: Die von chronischen Wunden ausgehende Belastung wird sich in den kommenden Jahren mit großer Wahrscheinlichkeit vervielfachen. Die Gründe liegen in dem überproportionalen Anteil älterer Betroffener, der durch demographische Entwicklungen weiter ansteigen wird einerseits und in der steigenden Prävalenz von Diabetes und Adipositas, die oftmals chronische Wunden verursachen.
Die gute Nachricht: die – zugegeben wenigen – gesundheitsökonomischen Studien, die es gibt, zeigen eindeutig, dass ein spezialisiertes und intensives Wundmanagement kosteneffektiv ist – d.h. ein positives Kosten-Nutzen Verhältnis zeigt. Eine dänische Studie belegt, dass es mit einer nationalen Strategie basierend auf Best Practice Guidelines gelingen kann, die Kosten für Wundmanagement um 30% zu reduzieren. (5)
1 Järbrink K, Ni G, Sönnergren H, Schmidtchen A, Pang C, Bajpai R, Car J. Syst Rev. 2017 Jan 24;6(1):15.
2 Posnett J, Franks PJ. Nurs Times. 2008;104(3):44–5.
3 Phillips CJ, Humphreys I, Fletcher J, Harding K, Chamberlain G, Macey S. Int Wound J. 2015.
4 STATISTIK AUSTRIA, Schnellschätzung der Gesundheitsausgaben laut SHA für das Jahr 2017. Erstellt am 18.06.2018.
5 Hjort A, Gottrup F. J Wound Care. 2010;19(5):173.