AT: Cremen statt schlucken – Salben wirksam bei Gelenks- und Muskelschmerzen

19. Februar 2021 | News Österreich | 0 Kommentare

Die Wirksamkeit topischer Schmerzmittel wird zunehmend anerkannt. Eine Creme mit sogenannten „cetylierten Fettsäuren“ verspricht Linderung von Gelenkschmerzen und Regeneration bei Gelenksteife und der damit verbundenen eingeschränkten Beweglichkeit. Salben zur Schmerzbehandlung werden von einer neuen US-amerikanischen Leitlinie zur Behandlung bei akuten muskuloskelettalen Verletzungsschmerzen empfohlen.

Eine neue hautverträgliche Creme mit „cetylierten Fettsäuren“ (CFA) soll Linderung bei Schmerzen im Bereich von Knie-, Hüft-, Ellbogen- oder Schultergelenken bringen. „Die Wirksamkeit der CFA-Creme beruht auf der Veränderung der lokalen Fettsäure-Zusammensetzung. Bei entzündlichen und degenerativen Erkrankungen können sowohl die Fettsäurekonzentration als auch das Fettsäuremuster beeinträchtigt sein“, erklärt ÖSG-Vizepräsidentin OÄ Dr. Waltraud Stromer (Horn) anlässlich der 20. Österreichischen Schmerzwochen der Österreichischen Schmerzgesellschaft (ÖSG). Die Fachgesellschaft informiert seit nunmehr zwei Jahrzehnten mit ihren jährlichen Schmerzwochen über die neuesten Entwicklungen in der Schmerzmedizin.

Mit dem Einmassieren der CFA-Creme werden Stoffe, die den natürlichen Lipiden von gesunden Gelenken entsprechen, direkt in die betroffene Körperregion gebracht. Die cetylierten Fettsäuren bauen sich in Zellmembranen von Gelenken, Muskeln oder Sehnen ein, welche durch Verletzungen oder arthritische Erkrankungen beschädigt sind, fördern die Elastizität und Beweglichkeit und helfen so, die Funktion zu verbessern. Zudem wirken sie schmerzmindernd und reduzieren Entzündungserscheinungen.

In einer Studie mit Patientinnen und Patienten, die an Knie-Arthrose litten, zeigte die zweimal tägliche Anwendung dieser schmerzlindernden Salbe über die Dauer von einer Woche effektive analgetische Wirkung, reduzierte Steifheit und eine verbesserte physikalische Funktion.

Schmerzlindernde Wirkstoffe über die Haut aufnehmen

Die Wirksamkeit topischer Analgetika, also von Schmerzmitteln, die lokal angewendet werden, war lange nicht unumstritten. Dem Auftragen von Salben oder Cremes wurde nur ein Placeboeffekt zugesprochen, der durch die mechanischen und Berührungsreize beim Einreiben entstehen würde. In den letzten Jahren begann sich jedoch eine neue Sichtweise durchzusetzen, wonach in die Haut einmassierte Wirkstoffe sehr wohl tiefer in den Körper eindringen und somit schmerzlindernd wirken können.

Verschiedene topische nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) in Form von Salben, Cremen, Sprays, Gels oder Lösungen werden zur lokalen Behandlung von Schmerzen und Schwellungen nach sportbezogenen und stumpfen Verletzungen verwendet. Der Vorteil gegenüber systemisch wirksamen, oral oder intravenös verabreichten NSAR ist, dass die Wirkstoffe deutlich geringere Konzentrationen im Blut erreichen und somit keine gravierenden Nebenwirkungen auftreten. Vorteilhaft ist zudem, dass sich die Wirkstoffe im entzündeten Gewebe anreichern. Nebenwirkungen wie Rötungen oder Reizungen können allerdings entstehen.

Bei akuten muskuloskelettalen Schmerzen ist die therapeutische Wirksamkeit von topischem Diclofenac, Ibuprofen, Ketoprofen und Piroxicam gesichert. Das zeigten zwei Cochrane-Metaanalysen von 70 placebokontrollierten Studien mit insgesamt über 11.000 Patientinnen und Patienten. Das Einreiben von topischem Diclofenac und topischem Ketoprofen in die Haut über sechs bis zwölf Wöchen hilft Patientinnen und Patienten mit Hand- und Kniearthrosen, die Schmerzen um mindestens die Hälfte zu verringern. Für die Wirksamkeit bei anderen chronischen Schmerzzuständen gibt es allerdings keine Evidenzen. „Die Verwendung von schmerzlindernden Salben ist vor allem sinnvoll bei Strukturen, die nahe an der Körperoberfläche liegen“, sagt Dr. Stromer.

Neue US-Leitlinie empfiehlt topische NSAR bei muskuloskelettalen Akutbeschwerden

Eine neue US-amerikanische Leitlinie zur Behandlung von akuten muskuloskelettalen Verletzungsschmerzen empfiehlt topische nichtsteroidale Antirheumatika als Erstlinientherapie. Für diese Leitlinie werteten die Autoren mehr als 200 klinische Studien mit insgesamt fast 33.000 Patientinnen und Patienten aus. Es zeigte sich, dass diese Salben mit oder ohne Menthol den Schmerz linderten, die körperliche Funktion verbesserten und für eine hohe Zufriedenheit bei den Patientinnen und Patienten sorgten. In der Folge setzte die US-Leitlinie der Behandlung mit topischen NSAR auf die höchste Empfehlungsstufe.

„In den deutschsprachigen Ländern wäre es ebenso wünschenswert, allgemeine abgestufte Leitlinien hinsichtlich der Therapie von Arthrose- oder muskuloskelettalen Schmerzen zu erstellen bzw. bestehende zu überarbeiten“, sagt Dr. Stromer.

Quellen: 

Ariani A, Parisi S, Guidelli GM, Bardelli M, Bertini A, Fusaro E. Short-Term Effect of Topical Cetylated Fatty Acid on Early and Advanced Knee Osteoarthritis: A Multi-Center Study. Arch Rheumatol. 2018;33(4):438-42;

Derry S, Moore R, Gaskell H, McIntyre M, Wiffen PJ. Topical NSAIDs for acute musculoskeletal pain in adults. Cochrane Database of Systematic Reviews 2015, Issue 6. Art. No.: CD007402. DOI: 10.1002/14651858.CD007402.pub3​;

Qaseem A, McLean R M, O’Gurek D et al: Nonpharmacologic and Pharmacologic Management of Acute Pain From Non–Low Back, Musculoskeletal Injuries in Adults: A Clinical Guideline From the American College of Physicians and American Academy of Family Physicians. Ann Intern Med. 2020;173(9):739-748.

Autor

  • Markus Golla

    Studiengangsleiter "GuK" IMC FH Krems, Institutsleiter Institut "Pflegewissenschaft", Diplomierter Gesundheits- und Krankenpfleger, Pflegewissenschaft BScN (Umit/Wien), Pflegewissenschaft MScN (Umit/Hall)