AT: Advanced Nursing Practice Kongress Linz 2019

14. April 2019 | Demenz, News Österreich | 0 Kommentare

Am 3.April 2019 fand der 9. ANP Kongress in Linz im Schlossmuseum statt.

Über 200 Besucher*innen am ANP-Kongress zeigten für ihn die Brisanz des Themas „Gesundheitskompetenz durch professionelle Beziehungsarbeit“.

Martin Zauner, Leitung FHOÖ Fakultät für Medizintechnik & Angewandte Sozialwissenschaften, begrüßte alle Teilnehmer*innen und dankte Silvia Neuman-Ponesch für Ihr jahrelanges großes Engagement im Bereich Advanced Nursing Pracitce (ANP)-Ausbildung und der Organisation des ANP-Kongresses.

Die Moderation durch den Kongress erfolgte durch Elisabeth Rappold.

Heinz Dobler, eigentlich Leitung Studiengang Software-Engineering erwähnte in seiner Eingangsrede, wie wichtig Beziehungsarbeit sei und diese müsse auch zukünftig in den Mittelpunkt gestellt werden.

Die FHOÖ setze seit 10 Jahren Initiativen im Bereich ANP. So gäbe es aktuell einen Lehrgang mit 5 möglichen Spezialisierungen, das Forum ANP wurde gegründet um sich u. a. an der ANP Entwicklung in Österreich zu beteiligen. 2020 würde es ein Lehrbuch zum Thema ANP von Silvia Neumann-Ponesch geben.

In ihrer Begrüßungsrede ging Neumann-Ponesch auf die gestrigen Workshops bezüglich Beziehungsarbeit in digitaler und analoger Kommunikation kurz retrospektiv ein. Gerade in analoger Kommunikation müsse Beziehungsarbeit geleistet werden um die Klient*innen auch wirklich zu erreichen. Sie nannte Großbritannien als Beispiel, das diesbezüglich auch Maßnahmen gesetzt habe und neuest auch ein Ministry of Lonelyness gründete. Einsamkeit sei ausschlaggebend für einen frühen Tod, das sei aus der Wissenschaft bekannt. Großbritannien sei laut Studien bei der Einsamkeit ganz vorne, gefolgt von Deutschland, so Neumann-Ponesch. Ihr Fazit: Emotion als moralisches Ideal, Zuwendung geben zum Zweck der Autonomie und Selbstbestimmung dürfe seitens Pflege nicht vergessen werden. Im Gesundheitswesen müsse menschlich und ökonomisch gefragt werden wie es uns als Co-Produzenten der Gesundheit in Zukunft gelingen könne die Bürger*innen so zu mobilisieren, dass diese ihre Gesundheitsbildung aktiv selbstständig in die Hand nehmen. Dies sollte die Pflege beschäftigen und dies würde auch gelingen, wenn man sich auf die Betroffenen wirklich einlasse.

Elisabeth Rappold wies im Anschluss auf kleine Änderungen im Programm hin. Der erste Beitrag, die Sicht eines Betroffenen – Tradition des ANP-Kongresses in Linz – fiel leider aus, da der Referent aufgrund akuter Krankheitssituation nicht kommen konnte.

  1. Harald Mori, (10 Jahre Assistent von Viktor Frankl)

Die Bedeutung von Bindung und Beziehungsfähigkeit für die Gesundheit aus Sicht der Neuropsychologie – ein Impulsreferat

Empathie erzeuge messbare Korrelate in unserer Biologie, so Mori. Allerdings sei es schwer Zuwendung auf biologischer Basis evidence based darzustellen. Aber es gäbe die von Mori so bezeichneten „Beziehungszellen“ die sich nachweisbar verändern würden, wenn Zuwendung erfolge.

Beziehung täte gut, bilde Vertrauen. Alles wie Bewegung, Geruch, Geräusche, Körper und Körperbild oder Auftreten sei ein Ausdruck von Sprache. Sprache könne Beziehung fördern oder verhindern. Er sprach Bindung und Beziehungsbildung an und die Aufgabe der Spiegelneuronen. Mori erklärt, dass das Ich zum Selbst werde durch Bindung und Beziehung – das würde schon in der Kindheit beginnen. Lt. Mori bräuchte der Mensch Ver-Bindung und Wachstum. Das Vertrauen auf das immer wieder möglich werdende Erreichen der eigenen Wurzeln im Sinne auch seines Zuhauses, seiner familiären Wurzeln (bräuchten Patient*innen zum Gesunden!!!) helfe zu Wachsen und um Gesund zu bleiben. Auch unsere Endlichkeit, die uns bewusstwerden müsste, verändere unsere Bindungen.

„Gesehen werden“ habe mit Würde, Respekt und ansehen/An-Sicht (ansehen!) der Person zu tun. Motivation entstünde aus der Anstrengungsbereitschaft, wenn ich dadurch beim Anderen Ansehen bekommen möchte.

Anstrengungsbereitschaft ist Motivation und diese würde durch positive Beziehung gefördert. Vice versa so auch beim Motivator im Sinne von Self-care.

Motivation entstehe, wenn man sich Ausdruck geben dürfe, nicht wenn man sich zurückhalten müsste. Identität bräuchte Authentizität und wir müssten Orte finden, wo wir wir selbst sein können, dann könne Autonomie entstehen.

Resonanz – so wie wir auf den anderen zugehen – beeinflusse die Situation, Stimmung und Beziehung. Spiegelneuronen, Selbsttranszendenz. Man sollte bei Anderen die Potentiale entdecken. Nach Buber, „das ich wird erst zum ich durch das Du“ – es brauche Dialog und Dynamik.

Die innere Einstellung gegenüber sich und anderen wirke sich auf die Gene aus (Regulatorgene) – d.h. Geborgenheit und Vertrauen verbessere die Lebensqualität biologisch, psychologisch, seelisch. Es brauche existentielle Auseinandersetzungen mit anderen Menschen – „Ermutigen Sie anderen zu sagen was sie wollen und sagen sie selbst was sie wirklich wollen.“ Die Qualität der Beziehung zu Patient*innen stelle eine heilsame Dimension dar. Beziehungen seien Gesundheitsfördernd. Soziale Erfahrungen formten das Gehirn, dies sei mittlerweile auch wissenschaftlich Bewiesen. Es gehe um die Erfahrungen mit Anderen, das fördere das Wachstum von Nervenzellen und die Vernetzung der Neuronen, wie die Synapsenbildungen. Disstress behindere Gehirnentwicklung (von Anfang an) und störe das Gleichgewicht des Menschen. Zuwendung und zwischenmenschlicher Dialog fördere die Salutogenese und verbessere die Krankheitsbewältigung (somatisch und psychisch).

Empathie – Interesse, Zuwendung, Begeisterung und Faszination sowie den Menschen in seinem Potential zu erkennen habe eine förderliche Wirkung! Lob, Ermutigung, Wertschätzung, Geduld, Einfühlungsvermögen sei ein „biologischer Mutmacher“ lt. Hüther – es setze sich im Gehirn fest.

Man solle sich ein kommunikatives Kleid anziehen, mit dem man gut kommuniziert, wenn man schon nicht nicht kommunizieren könne, so Mori. „Fragen sie sich selbst, werde ich wahrgenommen und gesehen!? Bindung und Beziehung sind für den Menschen im jedem Lebensabschnitt von Bedeutung!“

  1. Maya Zumstein-Shaha

Sind psychosoziale Kompetenzen bei Gesundheitsfachpersonen wichtig? Perspektive der Patient*innen mit einer Krebserkrankung am Beispiel Spiritualität

Zumstein-Shaha beschrieb die Inhalte von Spiritual Care in der Pflegewissenschaft und erklärte den Begriff und die Aufgaben des Spiritual Care Aktivisten.

Gerade Pflegewissenschaft habe Wurzeln in der Judäo-Christlichen Tradition (Käppeli 2001) das erkenne man auch bei Affaf Meleis, trotz ihrer Herkunft. Generell würde Pflege oft mit Glauben und Religion verbunden, dies sei historisch gewachsen.

Spiritualität beinhalte das Verbindende, die Transzendenz sowie den Lebenssinn. Aspekte die außerhalb des wissenschaftlich Erfassbaren läge und das Menschliche übersteigen würde, so die Referentin.

Spiritual Care sei jene Sorge, die den Respekt für die Würde des Patienten, die Anerkennung und Liebe durch die Pflegeperson darstelle. Die Erfassung des Menschen in der Ganzheitlichkeit habe Diskussionen in der Pflegewissenschaft hervorgerufen, dies begann in den 70er Jahren.

Unbeachtete spirituelle Bedürfnisse verursachten eine Verschlechterung des Allgemeinzustandes, der Krankheitssymptome, der Bedarf an Gesundheits-Leistungen steige und auch die Dauer des Spitalsaufenthaltes. Daher dürften diese Bedürfnisse nicht durch die Pflege unbeachtet bleiben – allerdings würde dieser Aspekt nicht wirklich in der Pflege bedacht. Doch sei die Auseinandersetzung mit Spiritualität inhärent in der Pflege – wir könnten gar nicht anders! Fast jede Pflegewissenschaftlerin habe etwas zu Spiritualität gesagt. Pflege habe eine eminent wichtige Rolle diesbezüglich. Sie sei am nächsten beim Patienten. Daher sei es nötig sich hier zu engagieren. „True Presence“, Caring-Haltung, spirituelle Anliegen ansprechen, fördern und unterstützen sei notwendig. Das Menschliche in den Betroffenen zu erkennen und darauf einzugehen sei wichtig. Aber dieses Vorgehen müsse auch Anerkannt werden und Anerkennung finden, damit die Pflegeperson spiritual care anbieten könnten.

Zumstein-Shaha stellt das AMEN-Modell vor („affirm“-„meet“-„educate“-„no matter what“). Ziel sei ein besserer Umgang mit Vorstellungen nach Wunder im Zusammenhang mit lebensbedrohlichen Situationen bei/mit Betroffenen. Davon das FICA Modell um Pflegepersonen zu befähigen Maßnahmen zu identifizieren und für die Pflege zu planen – im Sinne der spiritual Care.

Theorie der Transzendenz von Pamela Reed, 2014 bestätige, dass eine nicht Berücksichtigung negative Auswirkungen auf den Betroffenen habe.

Pflege müsse sich ihrer Aufgaben im Bereich spiritual Care klar werden – es sei eine große Herausforderung aber es beträfe die Beziehung zu den betroffenen Menschen.

Die Referentin stellt die Schweizer Studie zur Erfassung der spirituellen Bedürfnisse von Patient*innen mit einer Krebsdiagnose und ihrer Angehörigen vor, wo Betroffene direkt befragt wurden zu ihren spirituellen Bedürfnissen und dem Wunsch bei der Hilfe in der Umsetzung, bei ihren Anliegen. Erfragt wurde dies durch Interviews.

Sie verweist auf die Möglichkeit des SPIR Assessments für die Pflege, welches ein gutes Instrument zur Erfassung der Bedürfnisse ist.

Link zum Assessment:

https://www.nationalcouncildocs.net/wp-content/uploads/2014/01/Spirituality-Assessment-Tool-FICA.pdf

  1. Kurt Langbein, Vertrauen als Heilmittel

Langbein, seit 40 Jahren Wissenschaftsjournalist, berichtete aus dieser Perspektive aber auch aus der Perspektive eines Betroffenen.

„Wenn man in die angsterfüllten Augen der Liebsten schaut, kann man nicht mehr über seine Angst reden.“

Wenn die Diagnose Krebs ausgesprochen wurde, dann gehe es darum, dass sich viele Fragen für den Betroffenen stellten, so der Referent. Viele unterschiedliche Therapie-Möglichkeiten wären für den Betroffenen in der Situation sehr verwirrend. Therapieauswahl, Alltagsbewältigung, seelische und körperliche Belastungen würden Fragen aufwerfen, die bewältigt werden müssten.

Der Referent verwies darauf, dass es ein Tumorboard für Ärzte gäbe, aber der Patient könne dies nicht nutzen, da er nicht involviert würde.

Psyche und Immunsystem hänge eng zusammen. Stress durch Isolation und Kriminalität führe zum „immunologischen burnout“. Dies bewiese zum Beispiel die Studie afroamerikanischer Frauen in Chicago, deren Brustkrebsrat 68% sei – Ursache sei ein „endokriner burnout“ durch sozial isolierte Frauen. In einer Maus-Studie bewiesen Wissenschaftler die Änderung von Hormonsystem und Genen bei isolierten (identen) Mäusen. Psychische Belastung auch in Alltagssituationen beeinflusse das Immunsystem massiv. Die körperlichen Reaktionen der Individuen seien aber sehr individuell (individuelle Stressreaktionen). Daher sei dies schwer messbar und darstellbar, aber es existiere. Der Placebo-Effekt beweise, dass auch alleine durch das Vertrauen in ein Produkt das Immunsystem beeinflusst werde.

Der Referent verwies auf die Problematik der Evidence based Medicine (EbM): Die klinische Relevanz von „großen“ Studien sei oft fragwürdig – Bias, Ausschlüsse, Studienteilnehmerzahl, Methodik und Fragestellungen seien oft problematisch.

Medizin sei nur zu 15% an der steigenden Lebenserwartung beteiligt. Gesunde Lebensjahre stiegen an, bloß in Ö nicht so schnell (Ein Mensch in Österreich habe 59 gesunde Jahre, in Skandinavien im Vergleich dazu 67 gesunde Lebensjahre im Durchschnitt). Lebensumstände wirkten ein, allerdings nur zu 33%. Fast 2/3 mache aber Anerkennung und Respekt aus „effort-reward-balance“ (positive Resonanz auf Aufwand verbessere den Gesundheits-Zustand) und „control“ (Selbstwirksamkeit, Selbstkontroll-Gefühl wirke auf eigene Gesundheit ein).

„Worte sind ein Therapeutikum sie werden im Gehirn in Chemie und Physik umgewandelt.“ Die Überzeugung dass mir geholfen werde, sei ein hochwirksames Heilmittel, so Langbein. Er belegte dies auch durch das Erzählen diverser Studienergebnisse. Negative Worte seien daher ebenso stark wirksam. Worte könnten heilen und Worte könnten krankmachen. Wir müssten uns bewusst sein, was wir mit solchen Worten anrichten würden! Worte könnten einer Körperverletzung gleichgesetzt werden, so der Referent. Für Individuen gelten statistische Erwägungen nicht – niemand könne zu 60% überleben, nur zu 100% oder zu 0%.

Langbein erzählte von einer spannenden Studie, welche bewies, dass ein Schmerzmittel zu 1/3 aufgrund des pharmakodynamischen und zu 2/3 rein aufgrund des psychologischen Effektes wirke. Die Zwischenmenschliche Beziehung sei bedeutsam, das menschliche Gehirn mache aus Worten Biologie. Information und Beratung habe daher großen Einfluss auch auf die Heilung.

Ein Thema seines Vortrages war das „Phänomen Spontanheilung“. Kelly Turner (2014) habe 250 Patient*innen weltweit mit anthropologischem Forschungsansatz betrachtet und Gemeinsamkeiten identifiziert.

Sie fand neun Gemeinsamkeiten:

  1. der eigenen Intuition vertrauen,
  2. negative Gefühle zulassen und Wege finden damit umzugehen,
  3. Selbstmanager ihrer Gesundheit sein,
  4. Therapeuten als Helfer/Navigatoren,
  5. Ernährung umstellen,
  6. positive Gefühle verstärken,
  7. eigene Wege zur Spiritualität finden (auch Meditation),
  8. soziale Unterstützung, Naturheilmittel und
  9. einen Grund finden um am Leben zu bleiben.

Das impliziere notwendige Änderungen im Gesundheitssystem: Effort reward imbalance verbessern, Empathie implizieren, Überzeugung und Hoffnung heilen, das Wissen muss vermittelt werden.

Fazit Langbeins: ein eigenes individuelles Therapiepaket für den Einzelnen zur Stärkung der Gesundheitskompetenz brauche es. Erste Kliniken in Essen, Berlin, Zürich seien schon vorhanden. Die Studienlage aufgrund fehlender Finanzierungen sei allerdings leider mangelhaft. Das Prinzip Hoffnung und Bedürfnisorientierung müsse gefördert werden.

  1. Podiumsdiskussion mit Johannes Heinzl, ANP bei Barmherzigen Brüdern Wien (Fokus „Pflege auf Augenhöhe bei MmD“), Andrea Kaponek (HdB GF „Wertemanagement“), Harald Mori. Moderation Elisabeth Rappold.

Rappold: Werte müssen leb-bar sein, was sind denn Werte, die tatsächlich positiv wirkten auf MA und Patient*innen?

Kapounek: Wir präsentieren uns in Kennzahlen um sichtbar zu werden, das ist Management. Führung ist das Leben der Werte. Gerechtigkeit, Mut und Ehrlichkeit macht uns Pflegende aus. Anerkennung, Wertschätzung, jeder soll das bekommen, das ihm zusteht. Wie ehrlich geht man miteinander um und wichtig ist Authentizität und Vertrauensbildung? Mut sich gegen Normen zu stellen ist für die Zukunft wichtig. Langzeitpflege ist die Königsdisziplin der Pflege. Pflege ist eine Profession, wir sind kein Assistenzberuf der Ärzte und keine Kennzahlen-Produzierer. Wir wollen Menschen in besonderen Situationen unterstützen und begleiten in ihrem Weg der Heilung. Wenn wir zufrieden und gesund sind, dann sind das auch unsere MA.

Rappold: Wie wichtig ist es Lebensqualität zu ermöglichen, das Leben über die Krankheit zu erheben? Was tun Sie und wie wirkt sich das aus?

Kapounek: Zufriedene Bewohner*innen und Angehörige und eine vertrauensvolle Beziehung zu Mitarbeiter*innen. Wenn das erkennbar ist, dann steigt die Resilienz der Mitarbeiter*innen.

Rappold: Hr. Mori, Menschen in Krisen, was kommunizieren diese an Erwartungshaltungen und was würden Sie sich wünschen?

Mori: Versorgungen die über die Überlebens-Therapien hinausgehen und aus der Routine herausgehen, immer dann äußern die Betroffenen, dass sie als spirituelle Menschen wahrgenommen werden wollen. Als Therapeut frage ich den Mensch „Was brauchst Du? Mit wem geht es Dir gut? Wo geht es Dir gut?“ Ressourcenorientiert muss die Ausdrucksfähigkeit gewonnen werden. Sich Selbst spüren und Bedürfnisse benennen können. Das ist befruchtend und tut dem Menschen gut.

Rappold: Kann man Hoffnungen zerstören, wenn man nicht erfragt, was wollen Sie eigentlich wissen?!

Mori: Ja! Aufklärung kann sondiert stattfinden und es kommt drauf an, wie ich die Information verpacke und transportiere. Resonanz gibt Kraft.

Rappold: Was bedeutet es für Dich in der Situation mit Menschen mit Demenz (MmD) zu arbeiten?

Heinzl: MmD sprechen innerlich mit sich Chinesisch und wir verstehen dann ihr Verhalten auch nicht. Kommunikation kann nur im Zwischenmenschlichen stattfinden. Es geht nur über den Weg des persönlichen. Wir können von MmD unglaublich viel lernen. MmD können uns zeigen wie es ist uns in Beziehung zu begegnen. Es geht darum jemand sein zu können, jemand sein zu dürfen. Man verliert mit Demenz nicht seine Persönlichkeit. Oftmals fehlt uns die Möglichkeit den Menschen mit Demenz in seiner Persönlichkeit zu belassen. Viele Menschen haben in unserer Gesellschaft selbst die negative Meinung von sich – Persönlichkeit muss zurückgegeben werden. Beziehung haben und in Beziehung gehen ist wichtig, das ist der große Mehrwert unserer Berufsgruppe heute. Diese Momente müssen auch dokumentiert werden, nicht arbeitsmäßige Standards. Die Beziehungsebenen müssen in der Dokumentation abgebildet werden. Die Pflegewissenschaft sollte diesen Impact beforschen und dies für die Pflege abbilden.

Rappold: Welche Rahmenbedingungen braucht es um sich von Mensch zu Mensch zu begegnen und wie kann die Geschäftsführung da einwirken?

Kapounek: Man sollte ein gesundes Gegenüber sein. Wenn ich auf mich schaue bin ich automatisch ein Vorbild als Führungskraft. Wenn Leitsätze nicht gelebt werden, dann sind sie nicht da. Es braucht ein Wertemanagement um auch in der Führung Werte umzusetzen und darzustellen. Mitarbeiter*innen, Qualität und Werte das sind für das Haus der Barmherzigkeit drei ausdifferenzierte Säulen die gelebt werden sollen. Management und Menschlichkeit muss verbunden werden top down und bottom up. Führungspersonen müssen die fachliche Entwicklung fördern, sie müssen nicht selbst fachlich Spezialisten sein, sondern Ermöglicher.

Rappold: Wie kann der Inhalt und das Verständnis für Advanced Nursing Practice (ANP) geweckt werden?

Heinzl: ANPs sind Pflegepersönlichkeiten und müssen auch genau das tun, nämlich darstellen was die Essenz und Wichtigkeit unseres Berufes ist. Die Strukturen für die professionelle Pflege müssen vermehrt geschaffen werden, damit Pflege auch so arbeiten kann wie sie sollte/möchte.

Kapounek: tut das bitte, macht Euch laut und bleibt dran. Denn oftmals ist in den strukturbestimmenden Positionen niemand aus der Pflege. Das Verständnis für unsere Grundwerte ist für die Führungsebene oft nicht da. Dafür muss die Pflege auch sich selbst einsetzen und Führungspositionen nutzen.

Rappold: Hr. Mori, aus psychologischer Sicht, wie kann sich die Pflege denn da selbst helfen?

Mori: Positive Berichterstattung über Pflege fehlt. Menschen müssen schlau sein. Aber gescheiter wäre natürlich, zuerst Kommunizieren was nicht passt und was belastet. Das braucht aber auch Mut und Vertrauen zur Leitung. Eine offene Fehlerkultur wird benötigt ohne Bestrafung. Das muss umgesetzt werden in den Organisationen und Strukturen. Angeordnete Supervisionen bringen nichts, Vertrauen ist der Schlüssel.

Rappold: Anwaltschaftliches Handeln geht nur, wenn man Grenzen aufzeigt. Es braucht Mut die Grenzen aufzuzeigen. Die Berufsgruppe braucht den Mut dies zu kommunizieren.

Neumann-Ponesch: Wir müssen unsere Ausbildung und auch die Grundausbildungen adaptieren. Es braucht eine andere Form von Ausbildung auch das Miteinander muss geübt gelernt und erspürt werden. Bildungsprogramme werden stark in Richtung eLearning angeboten, aber es braucht direkten Personenkontakt. Uns fehlen in der Bildung die Role-Models die Vorbilder sind und die Lernmöglichkeiten eröffnen.

Kapounek: Es kommt auf die Stellenbeschreibung der Führungskraft an, wird der Fokus auf Ethik oder auf technische Werte gelegt!? Das bildet dann die Führungskraft ab.

Workshop Nachmittag:

Am Nachmittag fanden Präsentationen der Praxisbeispiele in Parallelsessions statt zu diversen Themen, beispielhaft der Vortrag von Sabrina Pelz:

  1. Pilotprojekt: APN-Implementierung von Delir-, Analgesie- und Sedierungsmanagement auf der Intensivstation (DAS Projekt), Sabrina Pelz, DNAPN

Pelz stellte die Advanced Practice Nurse (APN) Rolle kurz vor und ging auf die Notwendigkeit der Weisungsbefugnis ein. Sie wies auf die Problematik der Stabstellenfunktion hin und warum APNs in Stabstellen problematisch sind. Im Sinne der geteilten Führung mit fachlicher- und systemischer Führung wäre APN gut verortet. APN braucht Praxis- und Theoriezeiten in ihrem Stellenprofil.

Verwendung des PEPPA-Frameworks auch zur Implementierung von Delir- und Sedierungsmanagement wurde kurz als Möglichkeit thematisiert.

Sabrina Pelz stellte ihre Forschungsarbeit und das Projekt DAS vor sowie die daraus entstandenen Folder:

https://www.bg-klinikum-hamburg.de/fileadmin/Dateien/buk-hamburg/PDF/Content/03_Pflege/Delir_Ratgeber.pdf

auch für Angehörige zur Information:
https://www.bg-klinikum-hamburg.de/fileadmin/Dateien/buk-hamburg/PDF/Content/03_Pflege/Delir_auf_der_Intensivstation.pdf

Außerdem sprach Harald Titzer über Hämatologische und Onkologische Beratung und Information in der Praxis und Manuela Sax, Aloisia Angermair zum Thema Peer Support im Krankenhaus – ein KollegInnenhilfssystem unterstützt MitarbeiterInnen nach belastenden Situationen. Sie berichteten über das Konzept, die Implementierung und die gewonnenen Erfahrungen. Michaela Löschnigg.Tausz referierte über Basale Stimulation und Kinaesthetics – Konzeptumsetzung und Vernetzung in der Praxis. Margareta Leitner und Silvia Raphaelis berichteten über die Herausforderungen in einem PatientenInformations- & BeratungsZentrum und Anna Kogler befasste sich in einer Session mit der Implementierung einer APN im klinischen Setting am Beispiel Pflegeexpertin/APN für Schmerz. Margarethe Rüf und Aloisia Angermair hatten das Thema Kinästhetik – Bewegungsabläufe in der Pflege bewusst wahrnehmen und achtsam gestalten. Was braucht es um Kinästhetik nachhaltig in der Praxis zu impelmentieren? Gabriela Schmid-Mohler beleuchtete was APNs zum erfolgreichen Krankheitsmanagement nach Nierentransplantation beitragen können.

Um 16h fand die abschließende Podiumsdiskussion zum Thema „Werte(management) und Gesundheit“ statt sowie die Verabschiedung am Ende des Tages durch Silvia Neumann-Ponesch und anschließendem Sektausklang im Schlossmuseum.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Autor

  • Karin Eder

    Diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegerin, Advanced Practice Nurse, akademische Lehrerin für Gesundheits- und Krankenpflege, Demenzberaterin, Direktorin im Haus Hetzendorf, Kuratorium Wiener Pensionisten-Wohnhäuser