AT: 38. Bericht der Volksanwaltschaft

3. Juni 2017 | News Österreich | 0 Kommentare

Mit diesem Bericht an den Wiener Landtag dokumentiert die Volksanwaltschaft ihre Tätigkeit im Jahr 2016. Sie informiert darin über wichtige Kennzahlen und wesentliche Prüfergebnisse. Die Volksanwaltschaft ist bestrebt, dass der Bericht eine große Leserschaft erreicht. Denn die behandelten Probleme betreffen viele Bürgerinnen und Bürger und verdienen daher Aufmerksamkeit. Eine Diskussion auf breiter Ebene kann Änderungsprozesse beschleunigen und Lösungen herbeiführen.

Bis zu einem gewissen Grad spiegeln die Beschwerden auch Trends in der gesellschaftlichen Entwicklung wider: Nach wie vor sind sozialrechtliche Themen häufiger Inhalt von Beanstandungen und pendeln sich auf hohem Niveau ein. Dies betrifft nicht nur die Bundesverwaltung, sondern auch die Wiener Landes- und Gemeindeverwaltung: Probleme mit der Zuerkennung von Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung sind vielfach der Anlass, dass sich Wienerinnen und Wiener an die Volksanwaltschaft wenden. Dies kann als Indiz für wirtschaftlich schwierige Zeiten gewertet werden, in denen der öffentliche Spardruck zunehmend zulasten der Hilfsbedürftigen geht und die Zuerkennung von berechtigten Sozialleistungen erkämpft werden muss. Wie bereits in den letzten drei Jahren betreffen allerdings auf Bundesebene die meisten Beschwerden asylrechtliche Verfahren, die zweifellos auf hohe Flüchtlingszahlen zurückzuführen sind, aber auch auf unzureichende Ma.nahmen bei den zuständigen Behörden. Dass auch die Wiener Behörden nicht in ausreichendem Maße auf die Flüchtlings- und Migrationsbewegungen reagieren, wird insbesondere im Hinblick auf die stark zunehmenden Beschwerden über die Dauer von Staatsbürgerschaftsverfahren deutlich.

Das Beschwerdeaufkommen bei der Volksanwaltschaft hat sich insgesamt gegenüber dem Vorjahr erhöht, womit sich der über die Jahre beobachtbare Trend fortsetzt. Auch die Anzahl der Beschwerden über die Wiener Landes- und Gemeindeverwaltung ist gestiegen. Ein möglicher Grund für die Zunahme von Beschwerden kann darin liegen, dass die – nicht nur in Österreich feststellbaren – gesellschaftlichen Entwicklungen immer komplexere Anforderungen an die staatliche Verwaltung stellen. Die Aufgabenerfüllung, die Arbeitsweise und die Kosten der öffentlichen Verwaltung werden, nicht immer berechtigt, aber immer stärker, kritisch bewertet. Die Prüfergebnisse der Volksanwaltschaft sollten als Beitrag gesehen werden, um die Verwaltung sinnvoll und rechtskonform weiterzuentwickeln.

Hohes Beschwerdeaufkommen in Wien

1.217 Wienerinnen und Wiener die sie sich von der Landes- oder Gemeindeverwaltung nicht fair behandelt oder unzureichend informiert fühlten, wandten sich 2016 mit einer Beschwerde an die Volksanwaltschaft (VA). Im Vergleich zu den bereits hohen Zahlen im Vorjahr bedeutet dies einen neuerlichen Anstieg um 5 %. In 226 Fällen stellte die VA einen Missstand in der Verwaltung fest, was einem Anteil von rund 17 % aller erledigten Verfahren entspricht. Die meisten Beschwerden in Wien bezogen sich auf die Bereiche Jugendwohlfahrt und Mindestsicherung. Aber auch die Staatsbürgerschaft, Wählerevidenz und Straßenpolizei sowie Gemeindeangelegenheiten waren Schwerpunktthemen im Berichtsjahr.

Präventiver Schutz der Menschenrechte

Die VA ist seit dem 1. Juli 2012 für den Schutz und die Förderung der Menschenrechte in Österreich zuständig. Gemeinsam mit sechs regionalen Kommissionen werden Einrichtungen kontrolliert, in denen es zum Entzug oder zur Einschränkung der persönlichen Freiheit kommt oder kommen kann. In Wien wurden im Berichtsjahr insgesamt 124 Kontrollbesuche durchgeführt und 17 Polizeieinsätze beobachtet. Besuche fanden unter anderem 35 Mal in Einrichtungen der Jugendwohlfahrt, 27 Mal in Polizeieinrichtungen, 21 Mal in Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen, 17 Mal in Alten- und Pflegeheimen, 11 Mal in Justizanstalten und 6 Mal in Psychiatrien und Krankenanstalten statt. Die Kontrollen erfolgen in der Regel unangekündigt, um einen möglichst unverfälschten Eindruck zu erhalten. Auch die Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt durch die Exekutive wird von der VA und ihren Kommissionen beobachtet, insbesondere bei Abschiebungen und Demonstrationen.

Renten für Heimopfer: „Opfer aus Krankenhäusern müssen miteinbezogen werden“

Die Volksanwaltschaft wird künftig als Dachorganisation fungieren, wenn es um Renten für Personen geht, die als Kinder und Jugendliche Opfer von Missbrauch und Gewalt in Einrichtungen wurden. Dies hat der Nationalrat kürzlich einstimmig beschlossen und die Volksanwaltschaft so mit einer neuen, sehr sensiblen und verantwortungsvollen Aufgabe betraut. Vorsitzender Günther Kräuter, Volksanwältin Gertrude Brinek und Volksanwalt Peter Fichtenbauer: „Die Volksanwaltschaft als Haus der Menschenrechte nimmt diese neue Verantwortung gerne an.“ Gemäß den neuen Bestimmungen entscheiden Pensionsversicherungsträger oder Sozialministeriumsservice ab 1. Juli 2017 über die Zuerkennung von zusätzlichen Renten in Höhe von Euro 300,- (brutto für netto) für Personen, die als Kinder und Jugendliche in Heimen, Internaten oder bei Pflegefamilien misshandelt 3

wurden. Grundlage für diese Entscheidungen sind Belege über Entschädigungen durch Opferschutzstellen oder eine begründete Empfehlung des Kollegiums der Volksanwaltschaft.

Volksanwalt Günther Kräuter: „Aus Sicht der Volksanwaltschaft müssen jedoch unbedingt auch Opfer von Gewalt- und Missbrauch in Krankenhäusern miteinbezogen werden, so etwa Betroffene, die als Kinder und Jugendliche in der Wiener Psychiatrie misshandelt wurden.“ Ähnliche Fälle seien zum Beispiel auch in Kärnten bekannt.

Insgesamt sei mit tausenden Anträgen von Betroffenen zu rechnen, die Begutachtung und Bewertung stelle höchste Anforderungen an die bei der Volksanwaltschaft einzurichtende „Opferrentenkommission“. Besonders wichtig sei, posttraumatische Schädigungen zu vermeiden, so Kräuter.

Kein zweiter Lift am Stephansplatz

Der Stephansplatz ist mit täglich rund 230.000 Fahrgästen die meistfrequentierte U-Bahn-Station der Stadt Wien. Dennoch ist diese Station derzeit nur mit einem – sehr klein dimensionierten – Aufzug barrierefrei erreichbar. Dadurch sind viele Menschen mitunter mit langen Wartezeiten konfrontiert. Obwohl der Stephansplatz derzeit um insgesamt 13 Mio. Euro umfassend saniert wird, ist die Errichtung eines zweiten Aufzuges nicht vorgesehen – entgegen anders lautender Ankündigungen im März 2016.

Volksanwalt Günther Kräuter: „Die Volksanwaltschaft kann diese Änderung in der Planung nicht nachvollziehen. Die UN-Behindertenrechtskonvention normiert eindeutig, dass Menschen mit Behinderung der Zugang zu öffentlichen Transportmitteln zu sichern ist.“

Neben der Volksanwaltschaft forderten auch Kardinal Christoph Schönborn, Caritas-Direktor Michael Landau, Behindertenanwaltschaft, Verein bizeps sowie zahlreiche Selbstvertreterinnen und Selbstvertreter einen zweiten Lift. Trotzdem und trotz langer Wartezeiten bestritten Wiener Linien und Stadt Wien dessen Notwendigkeit.

Kräuter: „Für Menschen mit Behinderung und Eltern mit Kinderwägen ist es unzumutbar, mitten im Stadtzentrum an einem der wichtigsten Verkehrsknotenpunkte derart lange Wartezeiten in Kauf nehmen zu müssen.“ Betroffen seien beispielsweise auch ältere Menschen und Touristen mit schwerem Gepäck.

Gangbetten in Wiener Gemeindespitälern

Patientinnen und Patienten müssen in Spitälern des Wiener Krankenanstaltenverbundes (KAV) regelmäßig in Betten am Gang liegen – ohne Privatsphäre und ohne Ruhe. Im Berichtszeitraum erhielt die Volksanwaltschaft diesbezüglich vermehrt Beschwerden von Bürgerinnen und Bürgern.

Bei der Volksanwaltschaft meldete sich etwa eine Wienerin, die trotz einer vor Monaten avisierten Meniskusoperation im Wilhelminenspital die Nacht in einem Bett am Gang verbringen musste. Doch nicht nur im Wilhelminenspital, in fast allen Wiener Gemeindespitälern gehören Gangbetten zum Alltag. Eine Grippewelle verschärfte noch das Problem. Dennoch handelt es sich bei den Gangbetten um ein strukturelles Problem, das nicht nur zu Spitzenzeiten auftritt. So berichtete eine Betroffene der VA über mehrere Gangbetten in der Onkologie eines Wiener Spitals.

Die Volksanwaltschaft nahm die Berichte von Medien und Betroffenen zum Anlass, ein Prüfverfahren einzuleiten. Die Vertreter des Vorstandes des KAV konkretisierten im Rahmen 7

eines „Runden Tisches“ in der Volksanwaltschaft die Maßnahmen zur Reduktion der Gangbetten.

Unter anderem versuche der KAV die Verweildauer der Patientinnen und Patienten in den Spitälern zu senken. Zu diesem Zweck seien Entlassungsmanagerinnen und -manager eingesetzt worden. Zudem werde forciert, Patientinnen und Patienten erst am Tag ihrer OP im Spital aufzunehmen. Ab Mitte des Jahres 2017 soll, laut KAV, ein auf Stunden genaues Gangbetten-Monitoring einsetzen. Die Anzahl der Gangbetten in den einzelnen Spitälern des KAV soll damit nach Stunden erfasst werden.

Die VA begrüßt die angekündigten Maßnahmen des KAV. „Ich vermisse jedoch das unmissverständliche und eindeutige politische Bekenntnis seitens der Stadtregierung, dass Gangbetten grundsätzlich nicht zum Einsatz kommen dürfen“, so Kräuter.

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Autor

  • Markus Golla

    Studiengangsleiter "GuK" IMC FH Krems, Institutsleiter Institut "Pflegewissenschaft", Diplomierter Gesundheits- und Krankenpfleger, Pflegewissenschaft BScN (Umit/Wien), Pflegewissenschaft MScN (Umit/Hall)