AT: 20 Jahre „Arzneidialog“: Die Versorgung nachhaltig absichern

8. Dezember 2019 | News Österreich | 0 Kommentare

Die beste Behandlung ist nicht immer die teuerste: Seit 20 Jahren kümmert sich in Oberösterreich das Experten-Gremium „Arzneidialog“ um die nachhaltige Versorgung der Patienten mit Medikamenten und Heilmitteln. Im November beging man mit einem internationalen Expertenaustausch das Jubiläum.

Der Fortschritt in der Medizin ist unaufhaltbar: Immer bessere und aufwendigere Therapien ermöglichen die Behandlung von Krankheiten, die vor einigen Jahrzehnten noch als tödlich galten. Diese Erfolge sind oft kostenintensiv, manche Therapien kosten tausende Euro.

Um die Versorgung der Bevölkerung auch mit teuren Therapien langfristig abzusichern, hat sich vor 20 Jahren in Oberösterreich ein außergewöhnliches Gremium gefunden. Im „Arzneidialog“ treten regelmäßig Vertreter der Oberösterreichischen Gebietskrankenkasse und der Ärztekammer für Oberösterreich zusammen und loten gemeinsam aus, wie die Versorgung der Bevölkerung im „Folgekostenbereich“ (Heil- und Hilfsmittel, Transportkosten, Arbeitsunfähigkeit) qualitativ hochwertig und effizient erfolgen kann: Welche Medikamente lassen sich durch wirkungsgleiche, aber günstigere Generika ersetzen, um Ressourcen für neue Therapien freizuschaufeln? Wie lassen sich überflüssige Mehrfachtherapien vermeiden? Wie kann die gute Zusammenarbeit von niedergelassenen Ärzten mit den Krankenhäusern, Ambulanzen, Pflegeheimen und mobilen Diensten wie der Hauskrankenpflege weiter verbessert werden? Unter welchen Voraussetzungen werden Transportkosten übernommen?

Service für Ärztinnen und Ärzte

Verantwortungsvoller Kosteneinsatz lässt sich in erster Linie durch Informationen und Service für die verordnenden Ärzte gewährleisten. Genau hier setzt der “Arzneidialog“ an und es ist gelungen, behandlungsökonomische Aspekte fest im Alltag der Ärzte zu verankern. Im Fokus steht dabei immer, Ärzte auf Augenhöhe durch Information und Beratung in ihrer täglichen Praxis zu unterstützen. Der Erfolg basiert auf fundierten Daten- und Problemanalysen, regelmäßigen Expertengesprächen und gemeinsam organisierten Fortbildungsveranstaltungen, um Lösungen für die optimale Versorgung der Patienten zu erreichen.

In den vergangenen 20 Jahren hat der „Arzneidialog“ viele Maßnahmen entwickelt. So erhalten Vertragsärzte regelmäßig individuelle Servicebriefe, in denen sie statistische Daten zur eigenen Medikamenten-Verordnung auf einen Blick sehen: Wie viele Medikamente verschreibe ich im Vergleich zu anderen Ärzten? Wie hoch sind die durchschnittlichen Therapiekosten pro Patient? Zusätzlich werden Praxiserfahrungen und Problemstellungen mit Medizinern der Abteilung für Behandlungsökonomie der OÖGKK ausgetauscht und bearbeitet. Auch regelmäßige Gesprächsforen (Ärzteforum „let ́s talk about“) ermöglichen einen Erfahrungsaustausch zwischen Ärzten und Gesundheitsökonomen.

Unter dem Titel „Zuwendungsmedizin“ wurden zudem eigene Honorarpositionen eingeführt. Davon profitieren Ärzte, die sich viel Zeit für ihre Patienten nehmen um die Qualität der Versorgung auch mit der Effizienz in Einklang zu bringen.

Anlässlich des runden Geburtstages veranstaltete der „Arzneidialog“ ein länderübergreifendes Experten- Meeting. Am Mittwoch, 13. November 2019, diskutieren Fachleute aus Österreich und Deutschland die Steuerbarkeit von Heilmittelkosten und die langfristige Finanzierbarkeit unseres Gesundheitssystems. Die grundlegende Frage nach dem „fairen Preis“ für Behandlungen ist schwer zu beantworten – gilt es doch, Entwicklungskosten, Wirkungsgrad, Zielgruppen und therapeutische Alternativen abzuwägen. In den Fachvorträgen im Rahmen der Festveranstaltung unterstrichen alle Redner die Notwendigkeit von Preissteuerung durch Politik und Gesundheitsinstitutionen. So wird etwa durch konsequente Preisverhandlungen des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger (HVB) mit der Industrie die jährliche Medikamentenkostensteigerung gedämpft, wie HVB Referentin Jutta Lichtenecker darlegte.

„Der Arzneidialog ist ein Vorzeigeprojekt! Ärzte können anhand unserer Maßnahmen und Leitlinien nicht nur die medizinisch beste, sondern gleichzeitig auch die ökonomisch verantwortungsvollste Therapie verschreiben. Jeden Euro, den wir bei der Medikation einsparen, investieren wir an anderer Stelle wieder in die Gesundheit unserer Versicherten! So schaffen wir Spielraum für kostenintensive Therapien, wo sie wirklich benötigt werden. Damit können wir auch in Zukunft die Versorgung der Bevölkerung gewährleisten.“ (Albert Maringer, Obmann OÖGKK)

Liste der Rednerinnen und Redner:

  • Mag. Franz Kiesl, Ressortdirektor für den Vertragspartnerbereich in der OÖGKK und derzeit betraut mit dem Aufbau des Fachbereiches „Versorgungsmanagement I“ in der Österreichischen Gesundheitskasse
  • OMR Dr. Thomas Fiedler, 2. Vizepräsident und Kurienobmann niedergelassene Ärzte in der Ärztekammer für Oberösterreich, Facharzt für Gynäkologie
  • OMR Dr. Silvester Hutgrabner, Arzt für Allgemeinmedizin und Kurienobmann-Stv. niedergelassene ÄrztInnen in der Ärztekammer für Oberösterreich, Referat für Land- und GemeindeärztInnen, Referat für Hausapotheken
  • Wolfgang Adolf, Leiter des Bereichs Arzneimittel und Apotheken der AOK Bayern und damit Experte für die Steuerung von Medikamenten bei unseren Partnern und nächsten Nachbarn.
  • MMag. Jutta Lichtenecker, Leiterin der Abteilung Vertragspartner Medikamente im Hauptverband der Österreichischen Sozialversicherung
  • Johann Fischalek, seit 2012 Referent Vertragspolitik und Arzneimittel der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns, München; zuvor dort Leiter des Fachbereichs Pharmazie und Pharmakologie sowie des Arzneimittelmanagements und Pharmakotherapieberater sowie Geschäftsführer der Gesellschaft für Statistik im Gesundheitswesen; Apotheker
  • Mag. Gabriela Wall, Teamleiterin „Kommunikation und Heilmittel“ in der Abteilung Behandlungsökonomie in der OÖGKK
  • Dr. Cornelia Frisch, Stv. Teamleiterin „Kommunikation und Heilmittel“ in der Abteilung Behandlungsökonomie in der OÖGKK, Fachärztin für Innere Medizin
  • Dr. Ulrich Tumler, Stellvertreter des Leitenden Angestellten in der Vorarlberger Gebietskrankenkasse und beauftragt mit dem Aufbau des Fachbereiches „Vertragspartner-Controlling, Qualität und Zielsteuerung Gesundheit auf Landesebene“

„Nicht zuletzt aufgrund des Arzneidialogs liegt Oberösterreich sowohl bei den Heilmittelkosten pro Versicherten als auch beim Generikaanteil im bundesweiten Vergleich unangefochten an erster Stelle. Vor diesem Hintergrund wäre es empfehlenswert, wenn auch andere Bundesländer diesem positiven Beispiel aus Oberösterreich folgen, um auch ihrerseits eine Optimierung der Ausgaben für Heilmittel zu erreichen“. (OMR Dr. Thomas Fiedler, Kurienobmann der niedergelassenen Ärzte in der Ärztekammer für Oberösterreich)

 

Weiterführende Informationen:
Fachartikel „20 Jahre Arzneidialog“ von Gabriela Wall (OÖGKK)

Autor:in

  • Markus Golla

    Studiengangsleiter "GuK" IMC FH Krems, Institutsleiter Institut "Pflegewissenschaft", Diplomierter Gesundheits- und Krankenpfleger, Pflegewissenschaft BScN (Umit/Wien), Pflegewissenschaft MScN (Umit/Hall)