Der Kinder-Haut-Tag feiert Geburtstag. Vor zehn Jahren startete die interdisziplinäre Veranstaltung als Pilotprojekt – heute ist sie fixer Bestandteil der Fortbildung auf dem Gebiet der pädiatrischen Dermatologie. Aufgrund rezenter Entwicklungen standen heuer infektiöse Hauterkrankungen im Fokus. Aktuelles aus der Pruritusforschung, neue Systemtherapien für die atopische Dermatitis, die Bewältigung der Stigmatisierung durch Hautkrankheiten und vieles mehr waren weitere Themen der Jubiläumstagung. Feierliche Höhepunkte bildeten die Ernennung von Prof. Peter H. Höger aus Hamburg zum Ehrenmitglied der ARGE Kinderdermatologie der ÖGDV und die Prämierung des besten Fallberichts. Abstracts der Vorträge gibt es unter www.kinder-haut-tag.at*
Zum zehnjährigen Jubiläum durften sich die beiden Begründer und Veranstalter des Kinder-Haut-Tages Univ.-Prof. Dr. Beatrix Volc-Platzer und OA Dr. Isidor Huttegger Mitte Oktober über einen vollen Festsaal im Wiener Billrothhaus freuen. Knapp 300 Teilnehmer folgten ihrer Einladung. „Im April 2010 starteten wir den Versuch einer interdisziplinären Veranstaltung mit 80 Zuhörern. Unser Ziel war damals, die Kinderdermatologie in die fächerübergreifende Fort- und Weiterbildung zu bringen. Wir freuen uns sehr, dass wir ein so starkes Interesse wecken konnten und dass es uns gelungen ist, den Kinder-Haut-Tag zu einem festen Bestandteil in der Ausbildung von Medizinern beider Disziplinen zu etablieren“, so die Organisatoren über den Erfolg ihres Engagements.
Im Rahmen des Kinder-Haut-Tages wird jedes Jahr ein Überblick über die aktuellsten Entwicklungen und Herausforderungen im Bereich der Kinderdermatologie gegeben sowie auf die speziellen Aspekte der Hautkrankheiten bei Kindern eingegangen. Namhafte Referenten aus Österreich, Deutschland und der Schweiz spannen dabei einen Bogen zwischen Grundlagenforschung, diagnostischen und therapeutischen Entwicklungen sowie deren praktischer Umsetzung im klinischen Alltag.
Skabies: das fulminante Comeback der Krätzmilbe
Ein Krankheitsbild, das in den letzten Jahren regelrecht eine Renaissance erfahren hat, ist Skabies. „Aufgrund der Zunahme der Fälle und der breiten medialen Berichterstattung hat dieses Thema besondere Aufmerksamkeit erlangt. Wie sehr Infektionen durch die Sarcoptes scabiei tatsächlich zugenommen haben, lässt sich schwer festmachen, da die Skabies nicht meldepflichtig ist“, so Volc-Platzer. Einen Eindruck bekommt man, wenn man sich den Jahresbericht des Steirischen Seuchenplans ansieht: In der Steiermark haben sich die Fälle im Zeitraum 2016 bis 2018 verdreifacht (von 474 auf 1.442 Fälle). Die Therapierichtline sowie Patienteninformationsblätter gibt es unter www.oegstd.at
Klimawandel bringt exotische Blutsauger
Andere Infektionskrankheiten wiederum sind „Newcomer“. Prim. Univ.-Doz. Dr. Robert Müllegger, Vorstand der Abteilung Dermatologie und Venerologie am Landesklinikum Wiener Neustadt: „Aufgrund des Klimawandels müssen wir uns zunehmend mit Infektionskrankheiten, die früher als exotisch und als Urlaubssouvenirs betrachtet wurden, auseinandersetzen.“ Seit Ende des 19. Jahrhunderts hat die Durchschnittstemperatur um 2°C zugenommen und auch die Niederschlagsmenge ist angestiegen. Das hat zur Folge, dass Überträger von Infektionskrankheiten, wie etwa die Asiatische Tigermücke, weiter nach Norden wandern. Sie können hier weiterleben und sich vermehren, da Zahl und Qualität der Brutplätze und Lebensräume zugenommen haben. Dazu schleppen Reisende Viren nach Europa ein, die durch heimische Vektoren, wie die gemeine Stechmücke, weiterverbreitet und übertragen werden. Laut des Experten besteht kein Grund zur Panik. Man sollte nur darauf vorbereitet sein.
Weiters wurde diskutiert, welche Erreger sich hinter rubeoliformen, vor allem aber hinter morbilliformen Exanthemen verbergen können. Meist handelt es sich dabei um Viren. Allem voran das Masernvirus, das durch eine konsequente Impfpolitik in Schach gehalten werden kann.
Rosazea: bei Kindern oft übersehen
Ein Krankheitsbild, das bei Kindern und Jugendlichen häufig übersehen oder nicht richtig diagnostiziert wird, ist Rosazea („Kupferrose“). Die chronische Hauterkrankung führt zu dauerhaften Entzündungen im Gesicht, die bei Kindern deutlich schwerer verlaufen können als bei Erwachsenen. Rosazea kann aber im wahrsten Sinne des Wortes auch ins Auge gehen, denn häufig stehen okuläre Symptome wie rezidivierende Chalazien und Blepharokonjunktivitiden im Vordergrund, die unbehandelt bis zur Erblindung führen können. Bei etwa der Hälfte der an Rosazea erkrankten Kinder geht die Augenbeteiligung den Hautsymptomen voraus.
Chronischer Juckreiz: neue Hoffnungen für leidgeplagte Patienten
Des Weiteren wurden hochaktuelle Entwicklungen in der Pruritusforschung präsentiert. Das ist insofern besonders relevant, als 65 Prozent aller Hauterkrankungen mit Juckreiz verbunden sind. So weiß man heute, dass das Mikrobiom nicht nur im Darm, sondern auch auf der Haut eine Rolle spielt. Erste Studien belegen nun, dass eine Mikrobiom-Transplantation mit schützenden Mikroben wie Roseo-monas mucosae auf die Haut von Patienten mit atopischer Dermatitis (AD) in der Behandlung von Ekzem und Juckreiz erfolgversprechend ist. Andere Studien befassen sich mit der Blockade von Rezeptoren, die für Juckreiz verantwortlich sind. Vielversprechende Ergebnisse zeigen, dass Antagonisten gegen den Substanz P spezifischen Neurokinin 1 Rezeptor (NK1R) eine signifikante anti-pruritische Wirkung haben und neue therapeutische Perspektiven eröffnen könnten. Auch neue Biologika wie Dupilumab, das gegen bestimmte Zytokine gerichtet ist und IL-4/13 blockiert, haben das Potenzial, die Barrierefunktion wiederherzustellen, wodurch eine signifikante Besserung von Ekzem und Juckreiz bei AD-Patienten erreicht werden kann. Seit kurzem ist Dupilumab für Kinder mit atopischer Dermatitis ab 12 Jahren zugelassen.
Stigma: Wechselwirkung zwischen Haut & Psyche
Die Haut ist der Spiegel der Seele. Doch auch umgekehrt gilt: Hauterkrankungen sind nicht allein eine enorme körperliche Belastung – auch die Psyche leidet. Besonders ausgeprägt ist dies bei Akne. Ein Viertel der Patienten leidet unter psychischen Komorbiditäten, die nicht mit dem Schweregrad korrelieren. 15 Prozent davon haben eine körperdysmorphe Störung. „Die Bewältigung der Stigmatisierung durch Hautkrankheiten ist ebenso wichtig geworden wie die medizinische Behandlung“, weiß Dermatologin Volc-Platzer. Hohes Stigmatisierungspotenzial haben auch großflächige Nävi. In erster Linie steht im Vordergrund, gutartige von melanozytären Nävi zu unterscheiden, wobei nur zwei Prozent aller Melanome im Kindesalter auftreten. Bei gutartigen Formen gilt es, ein optimales ästhetisches Ergebnis zu erzielen sowie Stigmatisierung und psychische Begleiterscheinungen zu verhindern. Tipp: Eine Schweizer Hautstigma-Initiative unterstützt Kinder und Jugendliche mit sichtbaren Hautveränderungen: www.hautstigma.ch.
Ein weiteres Thema in diesem Jahr waren Hilfsstoffe in Dermatika. Ein Vortrag aus der Welt der pharmazeutischen Technologie brachte Licht ins Dunkel, welche Hilfsstoffe „good guys“, und somit für die kranke Kinderhaut verträglich sind, und welche zu den „bad guys“ zählen. Dazu Kinderfacharzt Huttegger: „Die topische Basistherapie kommt zwar ohne Wirkstoffe aus. Emulgatoren und Konservierungsmittel braucht es jedoch, um Lipide und Wasser physikalisch zu verbinden, die Cremes haltbar zu machen bzw. die mikrobiologische Qualität sicherzustellen.“
In der Diagnostik wurde unter anderem besprochen, in welchen Fällen genetische Analysen Sinn machen, die bei vielen Verdachtsdiagnosen oder der Frage nach einem Erkrankungsrisiko bei familiärer Vorbelastung heute state-of-the-art sind.
Warum Kinderdermatologie?
Diese grundsätzliche Frage beantwortete Prof. Dr. Peter H. Höger, Chefarzt der Abteilungen für Pädiatrie und Pädiatrische Dermatologie/Allergologie am Kinderkrankenhaus Wilhelmstift Hamburg mit klaren Worten: „In der Dermatologie beschäftigen sich heute viele Kollegen mit Cellulite, Botox- oder Filler-Injektionen bei Menschen, die keine Krankheit, sondern eine Befindlichkeitsstörung haben. In der Kinderdermatologie haben wir es noch mit Medizin zu tun – man sieht hier nichts, was es nicht gibt.“ In seinem Vortrag sprach er über neue Konzepte, neue Chancen aber auch neue Risiken, die sich für Kinder mit Hautkrankheiten aber auch ohne ergeben können. Höger ist sowohl Dermatologe als auch Kinderarzt und jährlicher Vortragender beim Kinder-Haut-Tag. „Vor zehn Jahren war die Kinderdermatologie ein Randgebiet der Dermatologie und erst recht am Rande der Pädiatrie.“ Mit dem Kinder-Haut-Tag sei es gelungen, dieses Spezialgebiet zu etablieren: „Der Kinder-Haut-Tag ist eine der größten Veranstaltungen ihrer Art auf internationaler Ebene und eine Institution.“ Anlässlich des zehnjährigen Jubiläums bedankte sich Prof. Volc-Platzer für das Engagement Högers und ernannte ihn zum Ehrenmitglied der ARGE Kinderdermatologie der Österreichischen Gesellschaft für Dermatologie und Venerologie (ÖGDV).
Das Resümee der Kongresspräsidenten Volc-Platzer und Huttegger: „Der interdisziplinäre Informations- und Gedankenaustausch war und ist uns ein wichtiges Anliegen. Der Kinder-Haut-Tag 2019 zeigte einmal mehr, dass für die Diagnostik und Behandlung dermatologischer Erkrankungen bei Kindern spezielle Kompetenz sowie die Zusammenarbeit mehrerer Disziplinen erforderlich ist. Es wurde aber auch wieder klar, wie sehr dieses Fach laufend mit neuen Herausforderungen konfrontiert ist. Somit bleibt der Kinder-Haut-Tag definitiv eine Veranstaltung mit Zukunft!“
Save the date:
20th ESPD (European Society for Pediatric Dermatology) Annual Meeting,11.-13. Juni 2020 in der Hofburg in Wien: www.espd.info
Der nächste Kinder-Haut-Tag findet wieder im Jahr 2021 statt.