Arbeit und Alter

11. Juli 2016 | Demenz, Fachwissen | 0 Kommentare

Die Arbeit als Begriff kann für eine selbstgewählte, schöpferische Handlung stehen, für eine zweckgerichtete Tätigkeit, für eine Tätigkeit um Geld zu verdienen, für das Ergebnis einer Tätigkeit wie ein Produkt oder Werk, für einen Ort an dem die Tätigkeit gegen Geld verrichtet wird „ich geh in die Arbeit“, für eine Schularbeit, für eine Anstrengung die Mühe kostet oder für die Zeit der Erwerbsfähigkeit.

Das Alter als Begriff steht für den Lebensabschnitt zwischen dem mittleren Erwachsenenalter und dem Tod. Das Alter ist Gegenstand biologischer, medizinischer, juristischer, entwicklungspsychologischer, philosophischer, kulturanthropologischer, sozialgeschichtlicher, sozial-, wirtschafts-, politik- und kulturwissenschaftlicher Betrachtung. Die Verbindung der unterschiedlichen Disziplinen, stellt interdisziplinär die Gerontologie, die „Wissenschaft von Alter und Altern“ her.

Das Altersbild ist von altersher kulturell geprägt und religiösen Einflüssen unterworfen. In vielen Kulturen wird es besonders geehrt und respektiert, das Altsein als idealer Lebensumstand angestrebt. In westlichen Industrieländern kommt hingegen dem Spruch: „Alt-Werden wollen alle, aber Alt-Sein nicht“ eine besondere Bedeutung zu. Der medialen Präsenz zufolge, könnten wir meinen, wir leben in einer Gesellschaft des Jugendkults und Das Alter hat nur zwei Gesichter, nämlich die hohen Kosten für uns alle und Demenzerkrankungen. Eine einseitige und falsche Darstellung und Interpretation, denn jedes Alter hat seine besonderen Qualitäten und Vorzüge. Um in einer Gesellschaft gut miteinander zu leben, brauchen wir alle Generationen und vor allem, den Austausch untereinander.

Generationenkonflikt
Abgesehen von einer möglichen Konfliktsituation in der Jugend mit den eigenen Eltern oder Großeltern, kann ein Generationenkonflikt auch gesellschaftliche Prägung haben, basierend auf Vorurteilen gegenüber der jeweils anderen Generation. Vorurteile können am Arbeitsplatz schlimmstenfalls auch volkswirtschaftlichen Schaden nach sich ziehen. Ältere ArbeitnehmerInnen machen beispielsweise den Jüngeren ihre Technikaffinität zum Vorwurf und Jüngere beklagen die mangelnde Flexibilität, das Beharren auf Althergebrachtem und die Verteidigung ihrer Machtposition. Die gegenseitig empfundene Respektlosigkeit beklagt Jung und Alt. Hier ist generationensensible Führungskompetenz gefragt, denn nachweislich führt eine langfristige Unzufriedenheit oder Frustration am Arbeitsplatz zu eingeschränkter Produktivität und schädigt die Gesundheit.

Allgemein betrachtet entstehen Generationenkonflikte durch kulturelle, soziale oder wirtschaftliche Gegensätze zwischen den Generationen.

Wie stehen Arbeit und Alter zueinander?
Eine ausgewogene, intergenerative Personalpolitik berücksichtigt sowohl die Bedürfnisse und Interessen von älteren als auch von jüngeren ArbeitnehmerInnen, mit dem Ziel der Gleichstellung von Jung und Alt.

Was jüngeren ArbeitnehmerInnen wichtig ist:

  • Eigenverantwortung
  • Selbstverwirklichung
  • Spaß haben
  • Individuelle Gratifikationen
  • Schutz vor Selbstausbeutung

Was älteren ArbeitnehmerInnen wichtig ist:

  • Hilfen bei arbeits- und altersbedingtem Leistungswandel
  • Soziale Sicherheit
  • Verantwortung / das Gefühl, gebraucht zu werden
  • Ermutigung durch Vorgesetzte und KollegInnen

Maßgeblich für die Leistungsfähigkeit von ArbeitnehmerInnen ist ein regelmäßiges Training von Körper und Geist, der Gesundheitszustand, die Motivation und die körperliche sowie geistige Beanspruchung bzw. Belastung am Arbeitsplatz. Ausbildung, Training und Motivation sind von wesentlich größerer Bedeutung für die Leistungsfähigkeit älterer Menschen als das kalendarische Alter.

Abbildung 1: Veränderungen der menschlichen Leistungsstruktur im Älterwerden

zunehmend

gleichbleibend abnehmend

Erfahrungswissen

Allgemeinwissen

Muskelkraft

Urteilsvermögen

Informationsaufnahme

Beweglichkeit

Sprachgewandtheit

Aufmerksamkeit

Anpassungsfähigkeit

Planerisches Denken

Konzentration Sehvermögen
Selbständigkeit Lernfähigkeit

Hörvermögen

Teamfähigkeit

Langzeitgedächtnis

Tastsinn

Verantwortung sinnvoll Lernen

unsinniges Lernen

Zuverlässigkeit

Geschwindigkeit

Ausgeglichenheit

 

Abstraktionsfähigkeit

Menschliche Reife

 

Kurzzeitgedächtnis

Sicherheitsbedürfnis  

Risikobereitschaft

Genauigkeit  

 

   

Quelle: Bildungscenter AK Vorarlberg

Altersgerechte Didaktik
Bedeutungsvoll im Erwerbsleben ist Lebenslanges Lernen, doch gilt zu berücksichtigen, dass Ältere anders lernen als Jüngere. Unterschiedlichen Altersgruppen innerhalb eines Kurses stellen für ErwachsenenbildnerInnen eine große Herausforderung dar.

Ältere Menschen lernen nicht schlechter als jüngere, sie lernen anders und sind in ihrem Lernverhalten durch ihre berufliche Tätigkeit und Vergangenheit geprägt.

Gefahren liegen in der Voreingenommenheit und stigmatisierenden Sichtweise gegenüber der Lern-und Leistungsfähigkeit älterer Menschen. Das ist einer der Gründe, warum das Alter thematisch ausgegliedert wird. Es bedarf einer Sensibilisierungs-und Aufklärungskultur, fern von „übers Alter spricht man/frau nicht“.

Was das Lernverhalten älterer ArbeitnehmerInnen empfindlich stört, ist, wenn die Sinnhaftigkeit nicht erkennbar ist, das vermittelte Wissen nicht an vorhandenes Wissen anknüpft, Erfahrungen ausgegliedert werden, der Lernstoff zu schnell vermittelt wird und es keine oder zu wenige Wiederholungseinheiten gibt.

Babyboomer und Generation X, Y, Z …

Abbildung 2: Generationenübersicht

  Maturists

geb. vor 1945

Baby Boomer

geb. 1945 – 1960

Generation X

geb. 1961 – 1980

Generation Y

geb. 1981 – 1995

Prägende Erfahrungen 2.Weltkrieg

Geschlechterrollen

Rock´n Roll

Kernfamilie

festgelegtes Frauenbild

Kalter Krieg

Wirtschaftswunder

Swinging Sixties

Mondlandung

Jugendkultur

Woodstock

 

Ende Kalter Krieg

Mauerfall

Live Aid

der erste PC

 

Terroranschlag 9/11

Playstation

Social Media

Reality TV

Anteil Arbeitender

(in UK)

3 % 33 % 35 % 29 %
Ziel Eigenheim Jobsicherheit Work-Life-Balance Freiheit und Flexibilität
Haltung zu Technologie weitgehend uninteressant Erste IT-Erfahrungen Digital Immigrants Digital Natives
Haltung zu Karriere Lebenslange Jobgarantie Karriere- Mitgestaltung im Unternehmen Karriere im Job, Firmen-unabhängig Digitale Unternehmer, Arbeit mit u. nicht für Unternehmen
Typisches Produkt Auto Fernseher PC Tablet/ Smartphone
Medien, Kommunikation Brief Telefon email, sms Text, Social Media
Bevorzugte Kommunikation Face to face Face-to-face, Tel., email Textmessage, email online und mobil
  Generation Z

nach 1995 geb.

Prägende Erfahrungen Wirtschaftl. Abschwung

Erderwärmung

Globalisierung

Energiekrise

Arabischer Frühling

Wikieleaks

Anteil Arbeitender

(in UK)

Prekäre Arbeitsverh.,

in Ausbildung

Ziel Sicherheit und Stabilität
Haltung zu Technologie „Technologics“
Haltung zu Karriere Multitasking-Karriere, Wechsel zw. Unternehmen u. „Pop-up“- Business
Typisches Produkt Google Glass

Nanocomputer

3D-Drucker

Fahrerlose Auto

Medien, Kommunikation mobile o. in Kleidung integrierte Kommunikations-medien
Bevorzugte Kommunikation facetime

Quelle: Futurebiz

Die Zeit ist reif!
Bedingt durch die demografische Entwicklung, also steigende Lebenserwartung, Abnahme der Geburtenrate, wird sich auch das Arbeitskräfteangebot stark verändern. Darauf müssen sich sowohl ArbeitnehmerInnen selbst, als auch ArbeitgeberInnen, sowie Politik, Wirtschaft und Gesellschaft einstellen, was wiederum ein deutliches, nachhaltiges Umdenken erfordert.

Was bedeutet alternsgerechte und altersgerechte Arbeit?
Arbeitsbedingungen sind alternsgerecht, wenn sie über das ganze Berufsleben so gestaltet sind, dass keine Spätfolgen durch Erwerbsarbeit auftreten und die ArbeitnehmerInnen gesund, motiviert und produktiv die Pension erreichen.

Arbeitsbedingungen sind altersgerecht, wenn sie die besonderen Anforderungen und Bedürfnisse bereits älterer ArbeitnehmerInnen etwa bei der Arbeitsumgebung, der Arbeitszeitgestaltung oder auch den Leistungsanforderungen berücksichtigen.

Für ArbeitgeberInnen geht es im ersten Schritt zunächst darum, sich der Altersstruktur ihrer ArbeitnehmerInnen bewusst zu werden und zwar aller MitarbeiterInnen-Gruppen.

  1. Ohne Diagnose keine Intervention!
    Ein Messinstrument für die Arbeitsbewältigungsfähigkeit ist beispielsweise der Arbeitsbewältigungsindex PlusTM (ABI PlusTM). Er ermöglicht ein Assessment, einen Status und eine Prognose zur Arbeitsbewältigungsfähigkeit, also zur gesunden, produktiven Verankerung von MitarbeiterInnen im Arbeitsprozess.
  2. Intergenerative Führungskompetenz!
    Sensibilisierungsmaßnahmen für Führungskräfte, Führungsinstrumente wie z.B. alter(n)ssensible, lebensphaseorientierte(!) MitarbeiterInnengespräche. Konkurrenzsituation zwischen Jung und Alt vermeiden, Wertschätzung aller MitarbeiterInnen, Entwicklungsperspektiven gestalten, Vorurteile abbauen und Stigmatisierung eliminieren.
  3. Weiterbildungsmaßnahmen mit altersgerechter Didaktik für Management und Basispersonal!
  4. Altersgemischte Teams, um Wissens-und Erfahrungstransfer sowie die Nutzung unterschiedlicher Stärken von Jüngeren und Älteren zu gewährleisten.
  5. Interdisziplinarität!
    Einbindung von Arbeitsmedizin, Gesundheitspsychologie, Arbeitsinspektorat, Betriebsräte, Personalentscheider, Sicherheitsfachkräften, SchulungsexpertInnen und allen MitarbeiterInnen-Gruppen.

Das Haus der Arbeitsfähigkeit
Es wurde vom finnischen Wissenschafter Juhani Ilmarinen (2007) entwickelt und besteht aus vier Stockwerken, die aufeinander aufbauen:

  1. die Gesundheit des Individiums, d.h. sein Leistungsvermögen
  2. der Kompetenz, d.h. Fertigkeiten und Wissen
  3. den Werte, d.h. Einstellungen und Motivation
  4. der Arbeit, d.h. deren Inhalte, Anforderungen, Umgebung

Abbildung 3: Das Modell des Hauses der Arbeitsfähigkeit (nach J. Ilmarinen)

Gut arbeiten – Gut leben – Gut alt werden
Der Wandel ist spürbar, doch hinkt das Umdenken und das Tun, der Realität noch weit hinterher, sowohl in der Gesellschaft, wie auch in den Betrieben und bei den ArbeitnehmerInnen selbst.

Die Zeiten, wo ArbeitnehmerInnen mancherorts danach getrachtet haben so früh wie möglich in Pension gehen zu können (oder auch gedrängt wurden), sind vorbei. Das (Arbeits-)Leben gehört NEU gedacht!

  • Arbeit nicht als Last oder Pflichterfüllung zu betrachten, sondern das Gesundheitspotenzial zu erkennen. Arbeit stiftet Sinn.
  • Lernen macht Laune!
  • DAS Alter positiv thematisieren!
  • Arbeitsanforderungen, Arbeitsorganisation, Arbeitsumgebung und Arbeitszeiten an die Bedürfnisse von ArbeitnehmerInnen aller Alterstufen anpassen.

Meine persönliche Meinung:

Wir brauchen Innovation und Akzeptanz!

Innovation, um ausgetretene Pfade und Althergebrachtes verlassen zu können. Ein gutes Beispiel zeigt sich im „Bedingungslosen Grundeinkommen“.

Innovation, um die eigene Erwerbsbiografie lustvoll gestalten zu können.

Akzeptanz des neuen Arbeitsverständnisses, aber auch Akzeptanz jenen gegenüber, die sich schwer tun, mit den Umbrüchen. Verurteilungen und Abwertungen schaden allen. Unterstützen wir uns lieber gegenseitig. Vieles liegt in unseren Händen oder liegt einsatzbereit im vorhandenen „Werkzeugkoffer“.

Erfolg hat drei Buchstaben: TUN
(Zitat Goethe und Leitgedanke von Pflege-Professionell)

Quellen:
www.gesundearbeit.at, AK Vorarlberg,
www.esf.at, www.arbeitundalter.at, wikipedia
Irene Kloimüller: Erfolgsfaktor Gesunde Arbeit, ÖGB Verlag, 2010,
Irene Kloimüller Wert:Arbeit, 2012
Reingard Lange,Cornelia Stolla: Förderung „älterer“ ArbeitnehmerInnen

Der Artikel wurde zuerst in der Ausgabe Pflege Professionell 4/2016 publiziert.

Autor

  • Karin Grössing

    seit 1980 Diplomierte Gesundheits-und Krankenpflegerin mit zahlreichen Zusatzqualifikationen und weitgestreuten Tätigkeitsbereichen: Krankenhaus; Home Care; Entlassungsmanagement; Incontinence Research & Development; EPU Wechseljahreberatung; Referentin & Trainerin; Autorin. Aktuell in leitender Funktion bei der Hilfswerk Personaldienstleistungs-GmbH.