ANP (Advanced Nursing Practice) in der CoVID-19 Pandemie

7. März 2022 | Bildung | 0 Kommentare

Setting mobiler Pflege und Betreuungsdienst

Die CoVID – 19 Pandemie ist seit ihrem Auftreten eine wesentliche Herausforderung in vielen Bereichen und stellt komplexe Anforderungen an die moderne Arbeitswelt. Dieser Artikel soll aufzeigen, wie die Position der ANP, am Beispiel der Volkshilfe Wien, während jener Zeit agierte, um den großen Bereich „Pflege und Betreuung“ bestmöglich zu unterstützen.

In der kurzen Phase der Entlastung, bedingt durch niedriges Infektionsgeschehen, konnten Evaluierungen stattfinden und die Leistungen im Bereich Pflege und Betreuung kritisch reflektiert und neu strukturiert werden.  In der Publikation von Hamric et al., wurden diese in Zentralkompetenz/Kernkompetenzen gegliedert. Die definierten Kompetenzen sind in der nachfolgenden Grafik ersichtlich und für dieses Beispiel vereinfacht dargestellt. Um einen Praxisbezug zu gewährleisten, wird zu jeder Kompetenz ein passendes Praxisbeispiel angeführt.

Ausgangslage Pandemiebeginn und weiterer Verlauf durch Corona 3333

Zu Beginn der Pandemie wurde im Auftrag der Pflegedienstleitung eine eigene Beratungs- und Koordinationsstelle gegründet. Intern wurde dies unter „Corona – 3333“ kommuniziert, damit die Mitarbeiter*innen unter einer Durchwahl sofort mit 2 Mitarbeiter*innen der Stabsstelle verbunden werden konnten. Zu Beginn der Pandemie wurden durch die beiden ANP Mitarbeiter*innen aktuelle behördliche Informationen und Dokumente gesichtet, evaluiert und an die interne Situation angepasst. Gelenkte Dokumente wurden neu erstellt und die Mitarbeiter*innen laufend am aktuellsten Stand gehalten. Im Laufe der Pandemie wurden positive bzw. Verdachtsfälle von einem eigenen „mobilen CoVID Team“ betreut. Jene Mitarbeiter*innen wurden durch die ANP Mitarbeiter*innen geschult und auf die Einsätze vorbereitet. Dieses mobile Team hat sich nach Monaten der Pandemie und aufgrund der Erschöpfung der Mitarbeiter*innen im Außendienst verändert und schlussendlich aufgelöst. Mittlerweile werden alle Mitarbeiter*innen hinsichtlich persönliche Schutzausrüstung geschult und können so jederzeit auf verändernde Pflege- und Betreuungssituationen adäquat reagieren.  Im Veränderungsprozess wurde innerhalb der Organisation die Einführung und Etablierung von digitalen Formaten verstärkt.

Der Administrative Aufwand welcher innerhalb der Pandemie zu tätigen ist, war und ist nach wie vor enorm. Aufgrund des vermehrten Aufwands wurde eine zusätzliche Admin- Position geschaffen, die die ANPs unterstützen durfte. Die Organisation und die Betreuung von Mitarbeiter*innen – Testungen am Arbeitsplatz wurden fest etabliert und werden laufend von ANPs evaluiert und angepasst.

Beratung und Konsultation

In diesem speziellen Setting, waren diverse Beratungs- und Informationstermine notwendig, um sowohl Kund*innen, An- und Zugehörige, als auch Mitarbeiter*innen, andere interne Abteilungen und die Managementebene zu betreuen und kontinuierlich Unterstützung in der resultierenden Situationsveränderung anbieten zu können. Durch eine proaktive Zusammenarbeit aller beteiligten Akteure und dank einer zielgerichteten und konzisen Kommunikation, konnte seitens ANP die nötige Orientierung im Krisenprozess gegeben werden. Die ANP konnte durch das frühzeitige Erkennen von komplexen Zusammenhängen und Risiken im Versorgungsverlauf der Kund*innen rasch Problemlösungsstrategien entwickeln und anbieten.

Gerade bei Mitarbeiter*innen war die Herausforderung groß, mit dem erhöhten Infektionsrisiko im beruflichen Alltag richtig umzugehen. Die Konsultation und fallbezogene kollegiale Beratung im Rahmen vieler Gespräche wurde positiv angenommen und konnte dazu beitragen, Mitarbeiter*innen zu beruhigen und richtig anzuleiten. Besonders zu Beginn der Pandemie war die Ressourcenverteilung im stationären und mobilen Setting nicht gleichgehalten und führte zu Unmut im Außendienst. Viele der Kolleg*innen aus dem Bereich Pflege und Betreuung bewiesen ein hohes Maß an Empathie und Sorge um die eigene Familie, aber auch um Kund*innen und deren An- und Zugehörige. Aufklärungsarbeit bezüglich der Wirksamkeit von Schutzausrüstung und Einhaltung der Hygienevorgaben war ein wesentliches Kernelement in der Beratung und Konsultation. Durch die Möglichkeit der „Corona – Hotline“ und dem damit einhergehenden raschen Kontakt zu fachkundigem Personal wurde eine Bestätigung „eh alles richtig zu machen“ gegeben. Zu Anfangszeiten der Pandemie war die Stärkung der Mitarbeiter*innen eine besonders relevante Aufgabe, um das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten zu bekräftigen. Bei Evaluierungsgesprächen betonten viele Pflege – und Betreuungskräfte, wie wichtig es ist, die Möglichkeit zu haben „nachfragen“ zu können.

Durch den kontinuierlichen Austausch mit Mitarbeiter*innen konnte, bedingt durch die Erhebung und Einschätzung der aktuellen Situation, deren Bedarf rasch erfasst werden. Komplexe Pflegesituationen konnten im Rahmen der Konsultation zwischen ANP und Gebietsleitungen gelöst und die Linienarbeit so entlastet werden. Vor allem sozialpsychiatrische Kund*innen die sich im Laufe der Pandemie nicht an Empfehlungen und Regelungen halten wollten, forderten eine Unterstützung seitens ANP.

Schulungen und Teambesprechungen wurden in einer kurzen Zeitperiode auf „Online-Format“ umgestellt. Um dies zu gewährleisten war eine direkte Begleitung der Teamleitungen, aber auch der Mitarbeiter*innen von Nöten. Hier, wie auch in vielen anderen Teilbereichen, sind Wissen und die Erfahrung aus der Praxis, kombiniert mit evidenzbasiertem Wissen und Empathie Werkzeuge der ANP, um auf die plötzlich auftretenden Veränderungen reagieren zu können.

Hier sei noch erwähnt, dass besonders in der mobilen Pflege und Betreuung die Sprachbarriere seitens der Mitarbeiter*innen eine Herausforderung darstellt.

Klinisches und professionelles Leadership

Die fachliche Führung der Stabsstelle „Corona- Hotline“ und das Einbringen von evidenzbasiertem Wissen im Hygienestab der Organisation ist ein wesentliches Kernelement der ANP. Bei komplexen oder nicht zu beantwortenden Fragen betreffend Corona können die Gebietsleitungen und Außendienstmitarbeiter*innen die ANP konsultieren. Die Aufgaben im Rahmen des Krisenmanagements sind Fragen und Problemstellungen zu sammeln, sortieren und zu analysieren. Die ANP berät sich dann im Team und bietet nach Recherchearbeiten und Expert*innenkontakte Lösungsmaßnahmen an. Komplexe Sachverhalte aus dem Bereich der Pflege und Betreuung werden Laien oder externen Vertreter*innen nähergebracht und in der Entscheidungsfindung miteinbezogen. Betriebsinterne und externe Krisenstabssitzungen wurden durch die ANP begleitet.

Die ANP konnte so mit dem vorhandenen Know – how zu einer professionellen Zusammenarbeit mit den Schnittstellen Fond Soziales Wien, MA 15, Stadt Wien sowie weiteren Akteur*innen beitragen.

Ethische Entscheidungsfindung

Durch die Pandemie kam es auch für langjährig erfahrene Pflegepersonen zu Situationen, die, auch in ähnlicher Form, noch nicht durchlebt wurden.

Hier ein Auszug aus der Praxis:
Eine Kundin bittet um Beratung zu einer, für sie, sehr schwierigen Situation bezüglich ihrer Familienmitglieder. Sie äußert Ängste und Sorgen, da weiterhin Familienmitglieder zu Besuch kommen und diverse Schutzmaßnahmen nicht einhalten wollen. Trotz Gesprächen wird das Prozedere von der restlichen Familie beibehalten, obwohl die Kundschaft eigentlich keine häufigen Besuche wünscht, um sowohl sich selbst, als auch die mobilen Betreuungskräfte zu schützen. Die Fragen bezogen sich darauf, wie es kommuniziert werden kann, ohne einen Familienstreit daraus entstehen zu lassen. Denn Angst, Zorn, Wut und andere Emotionen auszulösen und als Folge alleine gelassen zu werden stellte keine Option dar, da auch eine gewisse soziale, monetäre und versorgungstechnische Abhängigkeit, bestand.

In diesem Beispiel wurde versucht zur Lösungsfindung anzuleiten und nochmals den Willen der Person selbst zu stärken. In Verbindung mit Empathie und Verständnis für die Situation konnte durch eine adäquate Fragestellung, schlussendlich eine Entscheidungsfindung ausgearbeitet werden, mit welcher die Person gut weiter argumentieren konnte.

Direkte klinische Fertigkeiten

Die ANP zeigt sich im speziellen Handlungsfeld der mobilen Pflege- und Betreuung für eine Stärkung der Gesundheitskompetenz/-förderung verantwortlich und stärkt die Selbstkompetenz und Adhärenz von Kund*innen als auch An- und Zugehörigen, sowie auch von den eigenen Mitarbeiter*innen (vgl.  Ponesch-Scheiber, 2020)

So wurden speziell für Mitarbeiter*innen CoVID 19 Testungen durch ANPs durchgeführt und organisiert. Kund*innen sowie An- und Zugehörige wurden hinsichtlich Befundergebnis nach ärztlicher Rücksprache beraten und für weitere Maßnahmen angeleitet.

Mitarbeiter*innen aus dem Außendienst wurden beraten und angeleitet was zu tun ist, wenn es zu einer Verschlechterung des Allgemeinzustandes von Kund*innen kommt, und auf welche Symptome genau zu achten sind. Die Entscheidungsfindung wurde unterstützt und angeleitet.

Eine Triagierung von Kund*innen in den Hochphasen der Pandemie wurde von einer ANP begleitet und evaluiert.

Forschungsfertigkeiten

Zu Beginn der Pandemie war die Forschungslage noch weitgehend gering bis gar nicht vorhanden. Jedoch konnten die ANPs ihre Fertigkeiten in dieser Krisensituation anwenden. Forschungsergebnisse zu Mund Nasen Schutz (FFP Masken usw.) und Hygienemaßnahmen wurden interpretiert und für Entscheidungsprozesse analysiert und evaluiert. Handlungsanweisungen, Merkblätter und Richtlinien wurden intern erstellt und mit nationalen und internationalen Guidelines abgeglichen (vgl. Ponesch-Scheiber, 2020)

Zusammenarbeit

Eine interdisziplinäre und multiprofessionelle Zusammenarbeit ist eine essentielle Voraussetzung für das Gelingen von Linienarbeit. Das Zusammenwirken aller Disziplinen im Alltagsgeschehen konnte dazu führen, komplexe Problemstellungen rasch zu lösen. Durch die hohe fachliche Kompetenz der ANPs und deren gutes Kommunikations- und Konfliktbewältigungsvermögen konnte die Zusammenarbeit aller Beteiligten Akteure im Behandlungsprozess verbessert werden. Gerade im Bereich der mobilen Pflege und Betreuung finden wir viele Akteure im täglichen Behandlungsprozess: Heimhilfen, Pflegeassistent*innen, DGKPs im Außendienst als auch in der Funktion der Gebietsleitung bis hin zu multiprofessionellem Zusammenspiel von Hausarztpraxen, Erwachsenenvertreter*innen und Fachsozialbetreuer*innen. Um die Zusammenarbeit bestmöglich gestalten zu können muss die ANP hier das Wissen der Kompetenz aller Berufsgruppen als auch die Rollenverteilung- und Beschreibung kennen und berücksichtigen.

Coaching und Führung

Ein zu dieser Kompetenz passendes Beispiel stellt das telefonische/persönliche Anleiten in Problemsituationen dar. Diese Thematik zeigte sich als sehr weitläufig und beinhaltet, welche Kund*innen und Mitarbeiter*innen betroffen sind und welche Schutzausrüstung getragen wurde. Daraus resultierend musste die Versorgung im Gebiet sichergestellt werden, das mobile CoVID -Team informiert und der Pflegeprozess adaptiert werden. Mitarbeiter*innen konnten nach vollzogener Anleitung und Coaching besser in sich oft wiederholenden Situationen reagieren und gaben an, sich durch das individuelle Coaching weiterentwickelt zu haben.

Abschließend kann, als eines der Resultate, ergänzt werden, dass ANP sich in vielen Organisationen beweisen muss, um zeigen zu können, wie wertvoll diese Position für Organisationen sein kann. Dies funktioniert, indem das Vertrauen der Mitarbeiter*innen gewonnen wird, Wissen und Unterstützung anbieten, ohne eine geringe Wertschätzung zu vermitteln, kann hier als wesentliches Element bezeichnet werden.

Durch die Pandemie konnten die Mitarbeiter*innen des Bereiches Pflege und Betreuung mehr Vertrauen zur ANP aufbauen und die Zusammenarbeit wurde verbessert. Viele positive Rückmeldungen erreichten uns während der Pandemie und der Einsatz von ANPs in der mobilen Pflege und Betreuung wurde nun verstanden und wertgeschätzt.

Literatur:

Hamric A., Hanson C., Tracy M., O`Grady E. (2014) Advanced practice nursing. An integrative Approach, 5th Edition, Verlag Saunders/Elsevier, St. Louis.

Neumann-Ponesch S., Leoni-Scheiber C., (2020) Advanced Nursing Practice. Verstehen-anwenden-umsetzen. 1. Auflage, Wien.

Autoren