Die Salzburger Hochschulwochen stehen dafür, dass sie sich zeitgenössischen Themen stellen. Dabei macht es großen Spaß, den unterschiedlichen Pfaden zu folgen, auf denen die Referentinnen und Autoren den Zugang zum Phänomen suchen. Im Jahr 2018 haben sich die Experten bei den Salzburger Hochschulwochen mit der Angst beschäftigt. Martin Dürnberger, der Obmann des Direktoriums der Salzburger Hochschulwochen beschreibt schon früh die Schwierigkeit, mit der der zeitgenössische Mensch bei der Auseinandersetzung mit der Angst konfrontiert ist. Die Moderne sei mit einem Paradox konfrontiert. Mit Erkenntnisfortschritt versuche man, Angst zu überwinden. Gleichzeitig produziere Innovationen neue Unübersichtlichkeiten und Ängste (S. 5).
Der Theologe Jan Heiner Tück baut nicht nur „Angstwelten der Gegenwart“ auf. Er versucht sich an Diagnose und Therapie. Im Alltag tauche ein „Panorama von Ängsten“ (S. 22). Es gebe soziale Angst und Angst vor dem Fremden, Angst vor Terror und Klimawandel. Der Einzelne sehe sich ganz individuellen Ängsten ausgesetzt – beispielsweise vor dem Alter und dem Sterben. Imperative der Leistungs-und Perfektionsgesellschaft setze Ängste frei, ob der Einzelne mithalten könne oder angehängt werde. Als Theologe folgert Tück: „Der Glaube bietet eine Palette von Angeboten, mit der Angst vor dem Tod leben zu lernen. Er weist ein in ein Grundvertrauen, das bejahen kann, bejaht zu sein. Das Ja, das als Vorzeichen vor der menschlichen Existenz steht, ist größer als die vielen Verneinungen, mit denen menschliche Existenz zu kämpfen hat. Der Glaube als Grundvertrauen, bejaht zu sein, leitet an zu einer ars moriendi, die zugleich eine ars vivendi ist“ (S. 40).
Was die Referentinnen und Autoren der Salzburger Hochschulwochen anbieten, sind intellektuelle Atempausen. Für den einen oder die andere erscheinen die Gedanken zu wenig konkret. Doch muss man nachdenklichen Menschen wie Jan Heiner Tück oder Barbara Wild wertschätzend unter die Arme greifen, dass sie eine Tiefgründigkeit liefern, die in der Flüchtigkeit des Alltags manchmal verlorengeht.
Apropos Barbara Wild – die Psychiaterin Wild schreibt von der „Kunst, über Schatten zu springen“. Der Einsatz von Humor sei neben Kampf, Flucht und Totstellreflex „eine viel bessere Möglichkeit, mit Angst umzugehen“ (S. 103). Wild beschreibt, dass Studien bewiesen hätten, die Auseinandersetzung mit Witzigem reduziere Angst. Humor ist in den Augen der Psychiaterin Wild „eine in der Persönlichkeit verankerte Fähigkeit, in negativen oder peinlichen Situationen etwas Heiteres zu finden“ (S. 105).
Es ist die Vielzahl der Perspektiven, die die Lektüre der Dokumentation der Salzburger Hochschulwochen zu einem Gewinn machen. Politische und gesellschaftliche Fragen kommen zur Sprache, aber eben auch individuelle Nachdenklichkeiten.
Martin Dürnberger (Hrsg.): Angst?, Tyrolia Verlag, Innsbruck 2018, ISBN 978-3-7022-3723-3, 176 Seiten, 21 Euro.