Kutupalong/Wien, 20. November 2017 – Seit Beginn der großen Fluchtbewegung am 25. August hat Ärzte ohne Grenzen/Médecins Sans Frontières (MSF) mehr als 62.000 geflohene Rohingya in der Region Cox’s Basar in Bangladesch behandelt. Die Organisation ist derzeit mit 861 Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen vor Ort, die die Geflüchteten in 15 Gesundheitseinrichtungen und mit zwei mobilen Kliniken medizinisch und psychologisch versorgen und die Behörden bei Impfkampagnen unterstützen.
In Kutupalong befindet sich die größte Gesundheitseinrichtung von Ärzte ohne Grenzen. Hier wurde die Anzahl der Betten von 50 auf 70 erhöht, mit neuen Stationen und Isolationskapazitäten für Infektionskrankheiten. Im Oktober eröffnete Ärzte ohne Grenzen eine zweite stationäre Einrichtung in Balukhali mit einer Kapazität von 50 Betten. Die Klinik legt den Fokus auf Mutter-Kind-Gesundheit. Ärzte ohne Grenzen plant, bis Ende Dezember mehrere weitere Kliniken in der Region zu eröffnen und insgesamt 400 Bohrlöcher und 1.000 Latrinen in den provisorischen Siedlungen Balukhali und Kutupalong zu installieren.
Seit dem 25. August hat das Team von Ärzte ohne Grenzen in einer spezialisierten Gesundheitsstation in Kutupalong 75 Frauen und Mädchen behandelt, die vergewaltigt worden waren. Mehr als die Hälfte von ihnen ist minderjährig, einige sind sogar unter zehn Jahre alt. Mehr als 90 Prozent der Patientinnen sind Frauen und Mädchen, die kürzlich aus Myanmar geflohen sind. Ärzte ohne Grenzen geht davon aus, dass bislang nur ein kleiner Teil der Überlebenden von sexualisierter Gewalt Hilfe gesucht hat.
Teams von Ärzte ohne Grenzen haben 510 Latrinen gebaut, 105 Bohrlöcher in Betrieb genommen, ein Leitungssystem zur Wasserversorgung installiert, und sie transportieren jeden Tag durchschnittlich 55.000 Liter Trinkwasser in die Lager. Die häufigsten Erkrankungen in den überfüllten Lagern sind Atemwegsinfektionen, Durchfall- und Hauterkrankungen. Viele Kinder sind zudem mangelernährt und es gibt zahlreiche Patienten und Patientinnen mit Verdacht auf Masern. Wenn die Situation in den zu dicht besiedelten Lagern nicht rasch deutlich verbessert wird, droht der Ausbruch von Epidemien.
Die Flucht der Rohingya aus Myanmar geht derweil weiter. In Myanmar wird Ärzte ohne Grenzen weiterhin von der Regierung daran gehindert, im Norden des Bundesstaats Rakhine Hilfe zu leisten. Dasselbe gilt für andere unabhängige internationale Hilfsorganisationen. Die Regierung von Myanmar hat sich entschieden, in diesem Gebiet nur mit einer ausgewählten Gruppe von Hilfsorganisationen wie dem myanmarischen Roten Kreuz zusammenzuarbeiten. Ärzte ohne Grenzen fordert dringend uneingeschränkten Zugang zum gesamten Gebiet von Rakhine, um Menschen in Not unparteiische Hilfe zu leisten.
Ärzte ohne Grenzen spricht sich gegen die Einrichtung neuer Lager für Vertriebene oder Rückkehrer im Norden von Rakhine aus. Solche Lager würden nur die derzeit forcierte Segregation der Rohingya von der übrigen Bevölkerung verschärfen und langfristige Lösungen noch komplizierter machen.