Adenotomie/Tonsillektomie – Schritt für Schritt erklärt

4. Dezember 2017 | Fachwissen | 0 Kommentare

Die Folder und Poster „Adenotomie/ Tonsillektomie – Schritt für Schritt erklärt“ unterstützen die prä- und postoperative Information durch ÄrztInnen und Pflegepersonen. Eltern bzw. Bezugspersonen, deren Kinder adenotomiert bzw. tonsillektomiert werden, erhalten einen strukturierten Überblick über die Abläufe vom ersten Kontakt in der HNO-Ambulanz bis zur dortigen Nachkontrolle.

Adenotomien und Tonsillektomien im St. Anna Kinderspital

Im St. Anna Kinderspital werden jährlich etwa 850 Adenotomien und 500 Tonsillektomien bzw.  Tonsillotomien pro Jahr durchgeführt. Die Aufklärung in Bezug auf Narkose und Operation, sowie über die notwendige Vorbereitung und den Ablauf des stationären Aufenthalts erfolgen im Rahmen von zwei präoperativen Terminen in der HNO-Ambulanz. Dabei werden auch schriftliche Informationen ausgehändigt. Für ÄrztInnen und Pflegepersonen der HNO-Abteilung sind diese Gespräche Routine, auch weil die Abläufe standardisiert und damit „immer gleich“ sind. Bezugspersonen, in den meisten Fälle Eltern bzw. ein Elternteil, sind dagegen in einer Ausnahmesituation, wenn ihr Kind operiert wird (Pomicino, Maccacari, & Buchini, 2017) und sie haben unterschiedliche subjektive Theorien, Erfahrungen und Ängste in Bezug auf den Krankenhausaufenthalt, die Narkose und die Operation (Harrington & Valerio, 2014).

An den Fragen von Bezugspersonen bei der stationären Aufnahme zur Operation zeigte sich immer wieder, dass wichtige Informationen nicht erinnert werden bzw. nicht verstanden wurden. Erklärbar ist das durch die begrenzte Kapazität des Arbeitsgedächtnisses für mündlich gegebene Information (Sandberg et al., 2012) und die nervositätsbedingte begrenzte Aufnahmefähigkeit von PatientInnen bzw. Bezugspersonen, aber auch durch Zeitmangel und sprachliche Barrieren (Czirkovits, Domittner, Geißler, Holzer, & Knauer, 2010). Studienergebnisse zeigen, dass nur etwa 50% der von Gesundheitsdienstleistern gegebenen Information erinnert werden (Harrington & Valerio, 2014). Laut Kessels (2003) werden 40-80% der Inhalte sofort vergessen – auch abhängig von der Menge und Komplexität der vermittelten Inhalte. Daraus resultiert vermeidbarer Stress für Familien, aber auch für die ÄrztInnen und Pflegepersonen, die diese fehlenden Informationen in der kurzen Zeit des stationären Aufenthalts vor dem Operationstermin (nochmals?) vermitteln müssen.

Der Entwicklungsprozess

Erforderlich war deshalb eine Optimierung der Informationsvermittlung, um die Verständlichkeit und Abrufbarkeit der Informationsinhalte zu erhöhen. Damit soll die familiäre Belastung aufgrund der Operation des Kindes reduziert werden.

Informationen werden besser erinnert, wenn sie anhand einer klaren Struktur – vergleichbar der Inhaltsangabe und den Überschriften eines Buches, vermittelt werden. Diese Struktur hilft, Inhalte einzuordnen und im Kontext zu verstehen (Langewitz et al., 2015). Deshalb wurden Folder und Plakate entworfen, die die Abläufe vom ersten Kontakt in der HNO-Ambulanz bis zur dortigen postoperativen Nachkontrolle in leicht lesbarer Sprache aus der Perspektive der Bezugspersonen zusammenfassen. Inspiration für die Gestaltung der Poster und Folder waren die Journey Boards™ des Phoenix Children´s Hospital (2012). Darin wird anhand eines Weges bzw. einer Reise dargestellt, was PatientInnen bzw. deren Bezugspersonen vor der Entlassung aus dem Krankenhaus wissen und können müssen.

Die Folder und Poster  „Adenotomie/Tonsillektomie – Schritt für Schritt erklärt“ geben einen Überblick über die Operationsvorbereitung, den Krankenhausaufenthalt und die Phase der Rekonvaleszenz. Bezugspersonen erfahren, mit welchen Personen sie und ihr Kind zu tun haben werden, wer mit ihnen sprechen wird und worüber sie informiert werden, d. h. was sie wissen müssen. Bezugspersonen sollen so auch unterstützt werden, gezielt Fragen zu stellen.

Die Texte wurden von den Mitgliedern der Arbeitsgruppe „PatientInnenedukation“ des St. Anna Kinderspital verfasst. Beigezogen wurden HNO-ÄrztInnen, Pflegepersonen der HNO-Station, sowie die dort tätigen ElementarpädagogInnen. Der Pretest zur Überprüfung der Verständlichkeit mit 22 Laien zeigte, dass nur wenige Änderungen erforderlich waren. Die grafische Gestaltung der Folder und Poster erfolgte durch das Atelier Levent Tarhan.

Planung von Implementierung und Evaluation

Eingesetzt werden die Folder und Plakate seit September 2017. Die im Wartebereich der HNO-Ambulanz angebrachten Plakate sind das erste Informationsangebot für Bezugspersonen und PatientInnen (je nach deren Alter). Der Folder über die geplante Operation des Kindes, den Bezugspersonen beim ersten Termin in der HNO-Ambulanz erhalten, wird für die Strukturierung der gegebenen Informationen genutzt. Es wird auch die Funktion des Folders als Unterstützung und Erinnerungshilfe erklärt, der die detaillierten schriftlichen Informationen über notwendige Blutbefunde, OP-Freigabe mitzubringende Unterlagen und postoperative Verhaltensregeln nicht ersetzt. An den auch in den PatientInnenzimmern der HNO-Station angebrachten Plakaten können Bezugspersonen nach der stationären Aufnahme ihres Kindes sehen, was als nächstes geschehen wird und welche Informationen sie vor der Krankenhausentlassung noch erhalten werden.

Evaluation und weitere Entwicklung

Es ist geplant, Poster und Folder zeitnah zu evaluieren. HNO-ÄrztInnen, Pflegepersonen und administratives Personal werden über ihre Erfahrungen in Bezug auf Nutzung, Anwendbarkeit und Praktikabilität der Poster und Folder befragt, Bezugspersonen operierter Kinder über Verständlichkeit und Nützlichkeit für die Zielgruppe. Die Teilnahme an den Befragungen wird freiwillig und anonym sein.

Die Befragung der MitarbeiterInnen wird elektronisch über das hauseigene Intranet erfolgen. Bezugspersonen werden beim postoperativen Kontrolltermin in der HNO-Ambulanz gebeten, einen Fragebogen auszufüllen und abzugeben. Darin wird auch die Phase der Rekonvaleszenz unmittelbar nach der Krankenhausentlassung thematisiert, um die Effektivität der Informationsvermittlung in Bezug auf den gesamten Behandlungs- und Genesungsprozess beurteilen zu können.

Die Ergebnisse sollen für die Weiterentwicklung der Poster und Folder, aber auch als Grundlage für die geplanten Übersetzungen der Folder herangezogen werden.

Quellen

Czirkovits, C., Domittner, B., Geißler, W., Holzer, U., & Knauer, C. (2010). Bericht zur prä- und postoperativen Patienteninformation und -aufklärung. Am Beispiel der Implantation von künstlichen Hüftgelenken. Wien: Gesundheit Österreich G.m.b.H.

Harrington, K. F., & Valerio, M. A. (2014). A conceptual model of verbal exchange health literacy. Patient Educ Couns, 94(3), 403-410. doi:10.1016/j.pec.2013.10.024

Kessels, R. P. (2003). Patients‘ memory for medical information. J R Soc Med, 96(5), 219-222.

Langewitz, W., Ackermann, S., Heierle, A., Hertwig, R., Ghanim, L., & Bingisser, R. (2015). Improving patient recall of information: Harnessing the power of structure. Patient Educ Couns, 98(6), 716-721. doi:10.1016/j.pec.2015.02.003

Phoenix Children´s Hospital (Writer). (2012). Patient Education & Journey™ Boards

Pomicino, L., Maccacari, E., & Buchini, S. (2017). Levels of anxiety in parents in the 24 h before and after their child’s surgery: a descriptive study. J Clin Nurs. doi:10.1111/jocn.13895

Autor:in

  • Brigita Schwarz

    Brigita Schwarz, BScN MSc; Diplom der Kinderkranken- und Säuglingspflege, Studium der Pflegewissenschaft, Tätigkeit im St. Anna Kinderspital: allgemeinpädiatrische Station sowie Stabstelle für Qualität und Entwicklung in der Pflege; Lehrtätigkeit, Schwerpunkte: PatientInnenedukation, familienorientierte Pflege, Weiterentwicklung evidence-basierter Pflegepraxis, E-Mail: brigita_schwarz@hotmail.com,